Engelsgesang
Können meinte, im Endeffekt ist es doch ein und dasselbe.“
„Nein, das ist es eben nicht!“ Martin sah starr auf die, von den Scheinwerfern erhellte Straße. „Aber vielleicht sollte ich das lernen. Es würde unser Beisammensein leichter machen.“
„Danke, Martin“, sagte Ángel und lehnte seinen Kopf zurück. Er hatte nicht das Gefühl, dass Martin dies als Entschuldigung gemeint hatte. Trotzdem würde er es als solche annehmen. Er wollte ihre letzte gemeinsame Nacht in Italien nicht durch einen Streit verderben.
Dennoch blieb Martin die restliche Fahrt schweigsam. Auch als sie in der Villa seiner Eltern angekommen waren, sagte er kein Wort. Sein Blick war kühl und abschätzend. Als er sich einen Drink an der Bar mixte, trat Ángel von hinten an ihn heran. Langsam öffnete er die Knöpfe des Jacketts und zog es ihm aus. Dann umfing er ihn mit den Armen und legte seine Wange auf Martins Schulter.
„Willst du, dass ich dich ficke?“
Ángel zuckte unter dem harten Klang von Martins Stimme zusammen. Außerdem war er über die krasse Ausdrucksweise erstaunt. So hatte Martin noch nie mit ihm geredet. Er schien ihn mehr verärgert zu haben, als er geahnt hatte. Besänftigend antwortete er: „Natürlich möchte ich das.“
Martin stellte sein Glas auf die Theke und drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht war kalt, die streng zurückgekämmten Haare unterstrichen diese Gefühlskälte noch. Unwillkürlich trat Ángel einen Schritt zurück. Martin musterte ihn einen Moment, dann packte er ihn an der Schulter und stieß ihn zu einem Sessel. Mit einem überraschenden Griff in den Nacken beugte er Ángel, der so schnell gar nicht wusste, wie ihm geschah, über die Sessellehne und riss ihm grob die Hose herunter. Ángel schnappte vor Überraschung nach Luft, brachte aber ansonsten keinen Laut hervor. Erst als Martin gewaltsam in ihn eindrang, gab er ein gepresstes Stöhnen von sich.
Martins Finger krallten sich in seinen Nacken und pressten sein Gesicht in die Polster. Mit brutalen Stößen bearbeitete er ihn. Anfangs glaubte Ángel der einstürmenden Gewalt nicht gewachsen zu sein. Doch nach einer Weile brannte die Demütigung stärker in ihm als der Schmerz. Stumme Tränen liefen über sein Gesicht und versickerten in den Postern. Es dauerte lange, bis Martin endlich nach einem letzten tiefen Stoß, von ihm abließ.
Er drehte sich einfach um, schloss seine Hose und ließ Ángel in dieser erniedrigenden Stellung zurück.
„So, jetzt hattest du, was du wolltest. Ich hoffe, ich habe dir das geben können, was du dir von diesem Spanier erhofft hattest. Mach dich fertig, in einer halben Stunde fahr ich los.“
Ángel rappelte sich auf und wischte sich mit der Hand über die Augen. „Wohin willst du?“
„Nach München, wohin sonst?“
„Ich dachte, wir fahren erst morgen Mittag.“
„Ich habe es mir anders überlegt.“ Martin stürmte aus dem Zimmer und ließ Ángel wie einen zerfledderten und geschändeten Engel zurück.
48.
48.
Es war das erste Mal gewesen, dass er bei ihrem Zusammensein keine Lust empfunden hatte. Nun saß Ángel schon seit über zwei Stunden zerzaust, mit geröteten Augen auf dem Beifahrersitz und sah die Lichter der Tunnels als grelle Schlieren vorbeirasen.
Was war nur passiert? War es seine Schuld gewesen, dass es so weit gekommen war? Und würden sie den Riss, den dieser Abend in ihre Beziehung gebracht hatte, wieder kitten können? Die Frage war vor allem, ob Martin es überhaupt noch wollte. Die lieblose Behandlung, die er ihm hatte zuteil werden lassen, sprach doch für sich. In Ángel begannen Verlustängste wie ein tumoröses Geschwür zu nagen.
„Kannst du bei dem nächsten Parkplatz bitte anhalten?“, platzte es mit einem Mal aus ihm heraus.
Doch Martin reagierte nicht auf die Frage und Ángel musste erneut mit den Tränen kämpfen, die aus ihm herausbrechen wollten. Das zerknüllte Taschentuch in seiner Faust war schon feucht von unterdrückter Traurigkeit.
Als sie aus dem Autobahntunnel herausfuhren und ein Rastplatzschild auftauchte, drosselte Martin die Geschwindigkeit nicht. Ángel begann unruhig auf dem Sitz hin und her zu rutschen. Hatte Martin seine Bitte nicht gehört? Sollte er sie wiederholen? Oder ignorierte ihn Martin absichtlich, um ihm seinen Ärger zu zeigen?
Er wusste nicht, wie lange er es ohne Toilette noch aushalten würde. Er war Martin ausgeliefert, das konnte er nicht abstreiten. Er war von jemand abhängig, den er geglaubt hatte zu
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