Engelsgesang
München.“
„Ah, du bist Deutscher, ich habe mich schon gewundert. München ist nicht schlecht … Hast du Lust mit mir etwas zu singen?“
„Ich weiß nicht … ich bin so aufgeregt …“
„Kennst du Monteverdis Pur Di Miro , das ich vorhin mit der Sopranistin zusammen gesungen habe?“ Ohne auf eine Antwort zu warten begann Jaroudas den Anfang des Duetts zu singen. Glücklicherweise kannte es Ángel tatsächlich und setzte nach einigen Takten ein. Zuerst sang er verhalten, doch als Jaroudas seine Hand nahm und ihn ansah, verlor er alle Angst. Voller Inbrunst sang er zusammen mit dem Star. Gemeinsam erhoben sich ihre Stimmen in überirdische Höhen. Es fühlte sich fantastisch an, ganz anders, wie wenn er allein sang. Er konnte die Energie von Jaroudas wie Stromschläge durch seine Hand pulsieren spüren.
Das Publikum, das sich noch im Foyer befand und gerade zum Gehen bereitgemacht hatte, blieb abrupt stehen, drehte sich um, kam zurück und bildete einen losen Halbkreis um die Beiden. Jaroudas schien dies nicht zu interessieren. Er stand Ángel zugewandt und strahlte ihn an. Als sie endeten und Applaus um sie herum brandete, umarmte Jaroudas den verblüfften Ángel.
„Maravilloso, fantástico, es war mir eine Ehre dich kennengelernt zu haben, Ángel. Man wird noch viel von dir hören, da bin ich mir sicher. Vielleicht kommst du ja nach Madrid und lässt München dafür sausen. Wir sind immer auf der Suche nach solche begnadeten Sängern wie dir.“
Ángel sah zu Boden und drehte das Programmheft unsicher in den Händen.
Felipe Jaroudas nahm es ihm aus der Hand. „Ah, du wolltest ja noch etwas von mir.“ Mit schwungvoller Schrift schrieb er: ‚ Por el maravilloso Ángel. El Felipe Jaroudas ’. Dann setzte er genauso schwungvoll seine Handynummer darunter. „Ruf mich an, wenn du’s dir anders überlegt hast, Rat brauchst, ein Arrangement suchst, oder einfach nur Lust hast, mich in Spanien zu besuchen.“
Erstaunt sah Ángel ihn an, doch Jaroudas zwinkerte ihm nur verschwörerisch zu, winkte noch einmal dem applaudierenden Publikum, rief: „Ich liebe Euch!“ und „Adios, hermoso Ángel“. Dann verschwand er, flankiert von zwei livrierten Angestellten, im Backstagebereich.
47.
47.
„Was war das denn?“
Ángel zuckte zusammen, als Martin zu ihm trat und einen Blick auf das Autogramm warf, das er in seinen immer noch zitternden Händen hielt. „Hast du das gesehen? Er hat mit mir gesungen und er hat mir seine private Nummer gegeben.“
„Klar, hab ich das gesehen. Ich habe auch gesehen, wie er dich angeschaut und angefasst hat, du hermoso An-chel.“ Martin übertrieb die spanische Aussprache so, das Speicheltröpfchen aus seinem Mund spritzte. „Der ist doch pervers.“
„Wieso? Was hast du denn? Er hat mir gesagt, dass er mir helfen kann.“
„Klar, will er dir helfen. Und ich weiß auch schon genau bei was.“ Martin ließ seine Hände in einer obszönen Geste aufeinanderklatschen. „Diese Sau hat dich angemacht und du bist voll darauf eingestiegen. Hast du überhaupt kein Schamgefühl?“
„Ich versteh dich nicht, Martin. Was hast du denn?“
„Bist du wirklich so naiv oder tust du nur so? Der Typ will dich doch nur ficken.“
Ángel schüttelte den Kopf. „Wir haben miteinander ein Duett gesungen, Martin, nur gesungen.“
„Klar, und er hatte auch nur ein rein platonisches Interesse an dir. Ángel, wach auf. Der Typ hatte einen Ständer.“
„Hör auf, Martin. Ich will das nicht hören.“ Obwohl Ángel sich bewusst war, dass noch immer Menschen im Foyer standen und ihn beobachteten, presste er sich die Hände auf die Ohren. Gerade eben war er noch so glücklich gewesen. Nur ein paar wenige Worte eines gleichgültigen Menschen und alles lag in Scherben vor ihm. Wie konnte Martin diesen erhebenden Moment nur so in den Schmutz zerren?
Auf der Rückfahrt herrschte eisiges Schweigen zwischen ihnen. Ángel sah auf die vorbeiziehende mondüberflutete Landschaft. Das Gesagte lastete schwer auf ihm. Er fühlte sich matt, ausgelaugt und missverstanden. Wie weggeblasen war die Freude und Euphorie, die ihn noch vor kurzen wie eine Welle überschwemmt hatte.
„Sag mir bitte, mit was ich dich verärgert habe? Wieso kannst du dich nicht mit mir freuen?“, flüsterte er.
„Es regt mich auf, wenn ein Kerl dich anmacht und du das als Kompliment auffasst!“
„Aber es war doch ein Kompliment gewesen, was er gesagt hat. Ob er jetzt mein Aussehen, mein Wesen oder mein
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