Engelsgrab
an.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass Sophie einen Freund hatte?«
Er wartete auf eine Antwort.
»Evie?«
»Hab ich nicht dran gedacht.« Teilnahmslos berührte sie den kleinen Bildschirm.
»Und was weißt du über ihn?«
»Nichts.«
»Na, komm, Evie, Sophie wird dir doch etwas über ihn erzählt haben. Wie alt er ist, wie er aussah, was für Musik er gehört hat. So was in der Art.«
Langsam schüttelte Evie den Kopf.
»Sie musste ihm schwören, niemandem etwas zu erzählen«, murmelte sie.
»Aber du warst ihre beste Freundin. Bei dir hat Sophie doch sicher eine Ausnahme gemacht.«
Evie nagte an ihrer Unterlippe und tippte auf dem Display herum.
»Selbst die anderen Mädchen in eurer Klasse wussten, dass Sophie sich mit einem älteren Jungen eingelassen hatte.«
»Sophie hat eine Menge Jungs gekannt.«
Brady sah zu, wie sie mit ihrem iPhone spielte.
»Evie«, sagte er eindringlich. »Es geht um etwas Ernstes. Jemand hat deine beste Freundin umgebracht. Dieser Jemand könnte der Mann oder Junge gewesen sein, mit dem Sophie zusammen war. Und bitte, hör jetzt auf, an diesem Ding herumzufummeln.«
Shane McGuire kam für Brady als dieser Freund nicht infrage. Die sexuellen Akte, die in Sophies Blog beschrieben waren, klangen für ihn nach einem Mann.
Tränen liefen über Evies mit Wimperntusche verschmierte Wangen.
Oh nein, dachte Brady, bitte, tu mir das nicht an. Am liebsten hätte er sie tröstend in den Arm genommen und ihr erklärt, dass Alkohol und Sex noch nicht gut für sie waren, dass sie das Leben einfach ein wenig langsamer angehen sollte. Stattdessen ließ er sich schwer in seinen Sessel fallen.
»Ich will nicht, dass du weinst, Evie. Du weißt doch, dass ich es nicht böse meine, oder?«
Evie schniefte und wischte sich über die Nase.
»Wusstest du, dass Sophie eine Tätowierung hatte?«
Evie deutete ein Nicken an.
»Wann hat Sophie die machen lassen?«
»Ungefähr vor einem Monat«, flüsterte sie. »Echt bescheuert.«
»Nanu«, wunderte sich Brady, der geschworen hätte, Evie hätte das Tattoo »cool« gefunden. »Was fandest du denn daran nicht gut?«
»Weil sie es wegen ihm gemacht hat.«
»Heißt das, er hat es ihr aufgeschwatzt?«
Evie zuckte mit den Schultern. »Er hatte auch so eins, aber ihrs war kleiner. Sie hat gesagt, seins war auf dem ganzen Rücken.«
Gott sei Dank, dachte Brady. Wenigstens ein kleiner Anfang.
»Weißt du auch, wo Sophie sich hat tätowieren lassen?«
»Irgendwo in Whitley. Mehr hat sie nicht gesagt.«
»Aha.« In dem Fall würden sie das Studio spätestens am nächsten Tag haben.
»Und weißt du auch noch, weshalb Sophie dich gestern Nacht angerufen hat?«, fragte er schließlich weiter.
Evies Kopf zuckte hoch.
»Wir haben die Liste ihrer Anrufe, Evie. Sophie hat sich um zwölf Uhr einundfünfzig bei dir gemeldet.«
Evie fing wieder an zu weinen.
»Sie… hat gedacht… sie hätte ihre Schlüssel bei mir vergessen. Aber… das hatte sie nicht.«
Sie wischte sich mit dem Ärmel des Bademantels über Augen und Nase. Bradys Blick fiel auf Evies Handgelenke, die beide mit Mullbinden umwickelt waren.
Abrupt ließ Evie das iPhone fallen und zog beide Ärmel bis zu den Fingern.
»Sie wollte bei mir übernachten«, fuhr sie stockend fort und vermied Bradys Blick.
Brady war bestürzt. Es war mehr als offensichtlich, dass sie mit Sophies Ermordung nicht klarkam.
»Sie hatte Angst vor ihm«, murmelte Evie.
»Vor wem?«
»Vor ihrem Stiefvater – vor Paul.«
»Und warum?«
Erneut begannen Evies Tränen zu fließen.
»Weil er sie… angefasst hat. Also, nicht nur so, sondern… na ja, du weißt schon.«
Oh ja, dachte Brady grimmig, und ob ich das weiß.
»Ich habe ihr versprochen, es niemandem zu sagen.« Evie hob ihr tränennasses Gesicht zu ihm hoch. »Sophie wollte nicht, dass es jemand erfährt.«
»Und daran hättest du dich sicher auch gehalten, wenn sie nicht ermordet worden wäre. Aber jetzt liegen die Dinge anders, und ich bin sicher, Sophie hätte das eingesehen.«
Evie sah ihn zweifelnd an.
»Was hat sie über ihren Stiefvater gesagt, Evie?«, fragte Brady mit sanftem Nachdruck.
»Eigentlich wenig. Nur wenn sie betrunken war, dann …«
»Dann was«, half Brady nach.
»Er ist ausgeflippt, als er das Tattoo gesehen hat. Aber er konnte ja nichts sagen.«
In der Tat nicht, dachte Brady, denn sonst hätte er zugeben müssen, dass er seine Stieftochter ohne Unterwäsche gesehen hatte.
»Heißt das, dass er Sophie bis
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