Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
soll Frau Manstein eine schwierige Chefin gewesen sein.«
»›Schwierige Chefin‹ ist gut.« Heidmüller lachte rau. »Wir haben in dem ganzen Verein nicht einen Mitarbeiter gefunden, der ein gutes Wort für sie eingelegt hat …«
»Außer Valentin Meyer. Der scheint mit Birgit Manstein einigermaßen klargekommen zu sein. Jedenfalls will er uns das weismachen. Glaubst du ihm eigentlich seine Geschichte, von dem sexuellen Ausrutscher mit Birgit Manstein?«
»Es kam zumindest glaubwürdig rüber. Die Frage ist, wie wir das nachprüfen wollen. Vielleicht hegte Meyer nach dieser einmaligen Sache ja doch einen verborgenen Groll gegen seine Chefin. Der abgewiesene jüngere Liebhaber, oder so …«
»Wir sollten ihn keinesfalls außer Acht lassen, nur weil er dieses nette, unkomplizierte Sonnyboy-Image pflegt«, meinte Pia bestimmt. »Wenn wir nichts finden, auch gut, aber wir müssen in dieser Agentur weitergraben. Ich möchtedie beiden PR-Beraterinnen noch einmal ausgiebiger befragen. Außerdem interessiert mich die Frau, der vor kurzem gekündigt wurde, diese Anne Barnheim. Und auch mit dem stellvertretenden Geschäftsführer, Jürgen Neumann, sollten wir uns ein zweites Gespräch gönnen.«
»Wollen wir noch mal hinfahren?«
»Nein, wir bestellen sie hierher.« Pia zwinkerte ihrem Kollegen zu. »Dann haben wir dieses Mal den Heimvorteil.«
10. KAPITEL
S ie hatten eine lange Liste aus der Sterbebuchabteilung vor sich liegen. Heidmüller leerte seinen Kakaobecher und zog noch einen Schokoriegel aus seiner Schublade hervor. Pia staunte immer wieder, wie viel Essbares sich in ihrem gemeinsamen Büro unterbringen ließ. In den vergangenen Stunden hatte Ossie konzentriert an seinem Rechner gearbeitet. Während er aß, betrachtete er die Seiten, die nach und nach aus dem Drucker glitten. Ein paar Schokoladenstücke fielen auf sein Hemd, aber er bemerkte es nicht.
»Ich weiß nicht, was du damit anfangen willst, Pia. Jeder Todesfall, bei dem nur der Schatten eines Verdachts besteht, dass es sich nicht um eine natürliche Todesursache handelt, erscheint doch sowieso in unseren Daten«, meinte er unzufrieden.
»Ich möchte aber einen Blick auf die unverdächtig scheinenden Todesfälle werfen. Die, von denen wir normalerweise nichts erfahren. Es gibt hin und wieder Ärzte, die einen Toten nicht so genau ansehen und als Todesart irrtümlicherweise»natürlicher Tod« ankreuzen. Ich habe auch schon gehört, dass es Kollegen bei der Kripo geben soll, die Ärzte dazu gedrängt haben, im Zweifelsfall »natürlicher Tod« anzugeben, weil es ihnen Arbeit erspart.«
»Das sind doch nur haltlose Gerüchte. Kannst du dir einen einzigen Kollegen bei uns vorstellen, der so etwas tun würde?«
»Keinen bestimmten. Aber grundsätzlich kann ich mir alles vorstellen.«
»Weißt du, dass die Sterbeurkunden in Lübeck immer noch an das Gesundheitsamt geschickt werden? Dort nimmt der Amtsarzt auch noch mal eine Plausibilitätsprüfung vor. Es müsste sich nicht nur einer, es müssten sich mehrere Leute irren, bevor ein Mord als natürlicher Todesfall zu den Akten gelegt wird.«
»Aber es passiert trotzdem. Hör mir doch bitte einmal in Ruhe zu: Zwei Morde in der Altstadt innerhalb recht kurzer Zeit, da wird man doch schon mal stutzig. Sie wirken auf den ersten Blick recht unterschiedlich, aber sie weisen gewisse Parallelen auf. Eine davon ist, dass beide Morde in einer Nacht von Freitag auf Samstag passiert sind.
Wolfgang Biederstätt ist an einem Freitag zwischen 23.10 und zirka zwei Uhr morgens ermordet worden. Kurz nach 23 Uhr haben seine Angestellten und die letzten Gäste das Restaurant verlassen. Die Obduktion hat ergeben, dass der Tod nicht nach zwei Uhr morgens eingetreten sein kann, eher früher.
Birgit Manstein wurde an einem Freitagabend um 20.57 Uhr erstochen. Wir wissen das deshalb so genau, weil ein paar Leute direkt neben ihr standen, als es passiert ist.«
»Pia, das ist alles bekannt. Wo liegt der Clou?«
»Es sind im letzen halben Jahr freitags keinerlei Mordemehr passiert, aber es gab einen Todesfall, der als Selbstmord zu den Akten gelegt wurde: Erinnerst du dich an den Mann, der von einem Parkhaus gesprungen ist?«
»Der hat wohl an einem Freitag seinem Leben ein Ende gemacht?«
Pia ging nicht auf Heidmüllers spöttischen Tonfall ein.
»In einer Nacht von Freitag auf Samstag. Es war halb zwei am Samstagmorgen.«
Heidmüller rollte mit den Augen.
»Ossie, der Mann, der sich da heruntergestürzt haben
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