Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
Biederstätts Lebensgefährte im Kupferhaus gesehen hat. Jedenfalls dem Autokennzeichen nach, das dieser Markus Kessel später notiert hat. Sie ist die Tochter des Fahrzeughalters. Sie war an dem Tag, als Kessel das Kennzeichen notiert hat, mit dem Wagen unterwegs.«
»Alles klar, ich komme gleich rüber.«
Unruh nickte und verschwand sofort wieder.
Pia zwinkerte Ossie über die Schreibtische hinweg zu. Hier kam ihr der Umstand zu Hilfe, dass die männlichen Kollegen es möglichst vermieden, allein eine Frau zu vernehmen.
»Pass schön auf und erzähl mir, was los war«, meinte Ossie zu ihr. Seit er in Pias Theorie eingeweiht war, dass die Morde in Zusammenhang stehen könnten, verfolgte auch er den Fall Biederstätt mit Interesse.
Pia klappte die vor ihr liegende Akte zu und griff nach ihrem Kaffeebecher.
»Sieht so aus, als hätte Unruh Angst, die Frau könne es sich im letzten Moment noch anders überlegen und sich in Luft auflösen«, meinte sie, bevor sie ihr Büro verließ.
Pia begrüßte Kläre Tensfeld. Die Hand der jungen Frau war eiskalt. Und auch sonst zeigte sie deutliche Anzeichen inneren Aufruhrs. Ihr Gesicht war kalkweiß und starr. Es wurde von langen Haaren eingerahmt, die sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie erinnerte Pia an Darstellungen der Jungfrau Maria auf alten Kirchenbildern. Nur der blaue Umhang und der Heiligenschein fehlten. Und natürlich das Kind …
Nachdem die Formalitäten erledigt waren, begann Unruh mit der Befragung. Pia hatte ihn selten so behutsam vorgehen sehen. Er versuchte wohl, Kläre Tensfeld ihre Nervosität zu nehmen, indem er für seine Verhältnisse fast freundlich mit ihr redete. Mit bescheidenem Erfolg.
Kläre Tensfeld bestätigte, dass sie an dem Tag, als Markus Kessel sich ihr Autokennzeichen notiert hatte, in der Stadt gewesen sei. Sie erinnerte sich sogar daran, dass jemand sie in der Kneipe beobachtet hatte und ihr anschließend auf die Straße gefolgt war.
Kläre Tensfeld bestritt jedoch, dem Mann, der sie verfolgt hatte, jemals vorher begegnet zu sein. Weder der Name Markus Kessel noch Wolfgang Biederstätt riefen irgendeine Erinnerung in ihr hervor. Erst als Unruh den Zusammenhang zwischen dem Mord an dem Lübecker Restaurantbesitzer und dem Namen Biederstätt herstellte, schien sie zu begreifen, worum es ging. Kläre Tensfeld sah aus, als bräche sie im nächsten Moment in Tränen aus. Sie gab an, noch nie in ihrem Leben im Kupferhaus gewesen zu sein. Sie wusste jedoch, wo es sich befand.
Zu Pias Überraschung nahm sich Marten Unruh die Zeit, detaillierte Angaben zu Kläre Tensfelds Person zu erfragen. In dünnen Worten erfuhr sie von einer Ausbildung zur Industriekauffrau und ihrer Wohnung im Haus der Eltern, die sie erst kürzlich wieder bezogen hatte.
Erst als Marten Unruh sie nach der anderen Frau fragte, die nach Kessels Angabe mit ihr zusammen in der Kneipe gesessen hatte, hob Kläre Tensfeld ihr Kinn und sah ihm trotzig in die Augen: »Ihr Name ist Beate Fischer«, sagte sie klar und deutlich. »Wir haben uns zufällig am Vormittag in der Stadt getroffen und uns dann für nachmittags in der Wahmstraße verabredet.«
»Woher kennen Sie Frau Fischer?«
»Sie ist eine alte Schulfreundin … Wir haben uns aus den Augen verloren, als Beate Stewardess wurde und aus Lübeck weggezogen ist. Wir sehen uns nur noch selten …«
»Können Sie uns die Adresse von Frau Fischer geben, oder eine Telefonnummer?«
»Nein.« Sie klang fast ungeduldig.
»Und welche Schule haben Sie besucht?«
»Wir waren beide auf dem Kloster-Gymnasium«, sagte sie, und Pia zuckte leicht, weil auch sie dort zur Schule gegangen war.
»Beates alte Adresse war der Fahlenkampsweg … Aber in dem Haus wohnt jetzt jemand anders. Ich bin mal irgendwann dort vorbeigefahren und habe nachgeschaut«, fügte Kläre Tensfeld hinzu.
»Welcher Jahrgang?«, fragte Unruh mit einem Anflug von Anspannung in der Stimme.
Kläre Tensfeld nannte ihn ungerührt. Sie war fünf Jahre nach Pia von der Schule abgegangen.
»Beate Fischer auch?«
»Ja, wir haben zusammen Abi gemacht.«
Sie verschweigt uns etwas, dachte Pia. Aus irgendwelchen Gründen hat Kläre Tensfeld Angst davor, die Wahrheit zu sagen. Aber es gab tausende von Gründen, die Menschen dazu bewegen konnten, falsche Angaben zu machen oder Tatsachenzu verschweigen. Das machte sie noch lange nicht zu Verbrechern …
»Na schön. Ich habe keine weiteren Fragen mehr«, sagte Unruh.
Pia beobachtete, wie die Frau im Zeitlupentempo
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