Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
aufstand. Sie hatte erwartet, dass sie erleichtert sein würde, wenn die Befragung vorbei war. Stattdessen wirkte sie weiterhin verkrampft und angespannt.
»Kannten Sie eine Birgit Manstein?«, fragte Pia einer Eingebung folgend.
Unruh sah sie irritiert an.
»Der Name sagt mir was. Ist es die Frau, die auf dem Altstadtfest ermordet wurde?«
»Ja. Der Name ging durch die Presse«, sagte Unruh mehr zu Pia als zu Frau Tensfeld.
»Kannten Sie sie persönlich?«
»Nein … Ich dachte, wir wären fertig?«
Der erste Anflug von Widerspruchsgeist, vermerkte Pia im Stillen. Sie ignorierte den warnenden Blick, den Unruh ihr zuwarf. »Sagen Sie mir noch, ob Ihnen der Name Rickleff Degner etwas sagt.«
Gespannt wartete Pia auf ihre Reaktion, doch mit dem, was dann geschah, hatte sie nicht gerechnet. Sie sah Panik in Kläre Tensfelds Augen aufleuchten, während ihre Gesichtszüge wie versteinert blieben. Dann fuhr sich die junge Frau mit der Hand vor den Mund, als wolle sie einen Schrei ersticken. Kläre Tensfelds Gesicht verzog sich gequält, sie verdrehte die Augen, und die Beine klappten unter ihr weg.
Pia umfasste die junge Frau. Doch Kläre Tensfeld war unerwartet schwer, sodass Pia sie nur kurz halten konnte und den schlaffen Körper dann behutsam zu Boden gleiten ließ.
»Verdammt, Pia!«, entfuhr es Marten Unruh, der garnicht so schnell hinter seinem Schreibtisch hervorkommen konnte, wie er wollte. Pia kniete vor der reglos daliegenden Kläre Tensfeld und hielt ihren Kopf.
Unruh warf Pia noch einen misstrauischen Blick zu und griff nach dem Telefon, um die Sanitäter im Haus zu informieren. Pia strich der bewusstlosen Frau das Haar aus dem Gesicht. Ihre Haut fühlte sich kalt und feucht an. Sie versuchte, sich an brauchbare Verhaltensregeln aus den unzähligen Erste-Hilfe-Kursen zu erinnern, an denen sie teilgenommen hatte. Kläre Tensfelds Augenlider begannen zu zucken, und sie stöhnte leise. Sie kam wieder zu sich.
Pia redete beruhigend auf sie ein: »Sie sind in Ohnmacht gefallen. Nichts Schlimmes. Wir haben schon Hilfe gerufen.«
»Es – es geht schon wieder.« Kläre Tensfeld setzte sich langsam auf und rieb sich die Stelle, wo Pia fest zugefasst hatte.
»Das ist mir schon lange nicht mehr passiert«, meinte sie verwundert, »nur früher einmal, beim Blutabnehmen. Das ist mir jetzt aber unangenehm …«
Sie raffte sich langsam hoch und ließ sich von Pia auf den Stuhl vor Unruhs Schreibtisch bugsieren.
Es dauerte nicht lange, da stürmten zwei Sanitäter in den Raum. Sie untersuchten Kläre Tensfeld kurz und bestanden darauf, sie mit in den Sanitätsraum zu nehmen. Der Blick, den sie Unruh zuwarfen, als sie die zittrige Frau aus dem Büro brachten, hätte auch einen Handtaschenräuber beschämt, der alte Omis um ihre monatliche Rentenzahlung erleichterte.
»Na großartig«, meinte er zu Pia, als sie allein in seinem Büro standen. »Die Fronten sind ja nun eindeutig geklärt. Jetzt heißt es, ich quäle hier junge Frauen bis zur Bewusstlosigkeit.Hättest du dir deine letzten Fragen nicht schenken können? Dann wäre sie vielleicht erst im Fahrstuhl zusammengeklappt, oder draußen …«
»Du solltest in Zukunft immer eine Flasche Kreislauftropfen in deiner Schublade bereithalten. Für alle Fälle …«
»Hey, der Knock-out kam von dir. Was sollte das überhaupt? Sie ist Zeugin im Fall Biederstätt. Warum hast du sie nach der Manstein gefragt? Und dieser andere Name, Pia, was hat der mit den Ermittlungen zu tun?«
Die Lockerheit, die kurze Entspannung nach dem Schrecken, war sofort wieder verflogen. Pia konnte ihm nicht einmal verdenken, dass er sauer war. Kläre Tensfeld war seine Zeugin in seinem Fall. Sie hatte hier eigentlich nur daneben sitzen sollen.
Nach kurzem Zögern entschloss sie sich, Marten gegenüber offen zu sein.
»Ich habe Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass die Morde Biederstätt und Manstein irgendwie zusammenhängen. Ebenso der Tod eines gewissen Rickleff Degner, der angeblich Selbstmord begangen hat. Ich habe aber noch nicht genügend in der Hand, um Kürschner zu überzeugen.«
»Dann solltest du dir schleunigst etwas Handfestes beschaffen, Korittki. So jedenfalls geht das nicht. Meine Zeugin mit zusammenhanglosen Fragen zu verschrecken, sodass sie in meinem Büro in Ohnmacht fällt. Ich finde, das geht entschieden zu weit.«
»Dann denkst du, was ich denke? Kläre Tensfeld hat die Frage nach Rickleff Degner zwar nicht direkt beantwortet, aber ich glaube, sie kannte ihn.
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