Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
weiß ich nicht. Vom Typ her würde ich Beate Fischer eher so einschätzen, dass sie keine engen Freundinnen hatte.«
»Kennen Sie eine Schülerin aus dem Jahrgang namens Kläre Tensfeld?«
Er sah wieder auf die Liste.
»Ja, sie war auch in diesem Kurs«, antwortete Pracht mit einer kleinen Verzögerung, »Kläre Tensfeld war eine eher zurückhaltende Schülerin. Sie war gut in Biologie, hat einen guten Notendurchschnitt erreicht. Ansonsten kann ich Ihnen da nicht weiterhelfen …«
»Halten Sie es für möglich, dass Beate Fischer und Kläre Tensfeld miteinander befreundet waren?«
»Wir sprechen hier über einen Kurs, der Jahre zurückliegt«, meinte der Lehrer mit vorwurfsvollem Unterton, »und überhaupt, wozu wollen Sie das alles wissen?«
»Wir suchen Beate Fischer. Sie ist eine wichtige Zeugin in einer Mordermittlung. Frau Fischer ist jedoch nicht auffindbar. Wir wissen nur, dass man sie vor kurzem mit Kläre Tensfeld zusammen gesehen hat …«
»Warum fragen Sie nicht Frau Tensfeld selbst?«
»Das haben wir bereits getan. Sie sagte, sie wüsste nicht, wo Beate Fischer sich befinden könnte.«
»Sie ist in Ohnmacht gefallen, als wir sie zu den Mordfällen befragt haben …«, ergänzte Pia, was ihr einen vorwurfsvollen Blick einbrachte. Sie beachtete Unruh nicht sonderlich, denn die Reaktion von Thomas Pracht war bemerkenswert.
Er lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorn, fuhr sich durchs Haar und sagte dann eindringlich: »Frau Tensfeld hat mit dieser Beate Fischer nichts mehr zu tun. Der Einfluss dieses Mädchens war nicht gut. Und Kläre Tensfeld hatte schon immer eine schwache Konstitution. Das müssen Sie mir einfach glauben.«
»Warum hat sie sich dann mit Frau Fischer in einem Lokal getroffen?«
»Keine Ahnung. Das kann doch Zufall gewesen sein. Kläre Tensfeld konnte bei einem zufälligen Zusammentreffen mit einer ehemaligen Mitschülerin wohl schlecht so tun, als kenne sie Beate Fischer überhaupt nicht …«
»Sie sollten das auch nicht tun …«, mischte sich Unruh wieder in das Gespräch ein.
»Was?«
»Sie sollten auch nicht so tun, als hätten Sie Kläre Tensfeld und Beate Fischer kaum gekannt.«
Pracht sah auf seine Armbanduhr. Gepresst sagte er: »In fünf Minuten habe ich wieder Unterricht. Ich muss gleich weg.«
»Die Klasse läuft Ihnen schon nicht davon. Noch einmal zu Kläre Tensfeld. Woher wissen Sie so viel über ihre Konstitution und ihre Neigung, sich durch Beate Fischer beeinflussen zu lassen?«
»Ich bin Pädagoge. Das ist mein Job. So wie es der Ihre ist, mir all diese Fragen zu stellen, die zu nichts führen. Ich weiß nichts, was mit Ihren Ermittlungen in Zusammenhang stehen könnte.«
»Wann haben Sie Kläre Tensfeld zuletzt gesehen?«, fragte Pia, die den Grund seines offensichtlichen Unbehagens endlich auf den Punkt bringen wollte.
»Muss ich das beantworten?«
»Wir erfahren es so oder so. Wenn Sie heute noch unterrichten wollen, dann reden Sie lieber gleich hier mit uns.«
Thomas Pracht starrte zur Tür, als erhoffe er sich von dort irgendwelche Hilfe. Dann sah er zum Fenster hinaus und wieder zu den beiden Kriminalbeamten ihm gegenüber.
»Bleibt alles, was ich hier sage, unter uns?«
»Es kommt darauf an, ob es mit den Ermittlungen zu tun hat oder nicht.«
Pracht seufzte.
»Nein, nein. Mit Ihren Ermittlungen hat es nicht das Geringste zu tun. Aber Sie würden es irgendwann sowieso erfahren, wenn Sie weiter nachbohren. Ich hatte ein Verhältnis mit einer ehemaligen Schülerin. Mit Kläre Tensfeld, um genau zu sein.«
Pia hatte bei diesem Pracht mit vielem gerechnet, aber damit nicht. Da Unruh wohl nicht weniger perplex aussah als sie, sprach Thomas Pracht eilig weiter: »Selbstverständlich erst, nachdem sie fertig war mit der Schule. Ich würde mich nie, nie mit einer meiner Schülerinnen einlassen, das müssen Sie mir einfach glauben …«
»Weiß die Schulleitung davon?«
»Oh Gott, nein! Das mit Kläre Tensfeld war ein Ausrutscher. Ein großer Fehler, den ich sehr bedaure. Aber wissen Sie, es gibt immer wieder Mädchen unter den älteren Schülerinnen, die legen es skrupellos darauf an …«
Pia hatte plötzlich Lust, das Fenster dieses Kabuffs weit aufzureißen, um ein wenig Frischluft in den Raum zu lassen. Die Fenstergriffe hinter den ergrauten Gardinen sahen jedoch so aus, als wären sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr bewegt worden. Sag du was, dachte sie und blickte Unruh an, du hast die junge Frau bei uns doch auch erlebt
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