Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
gar nicht an sie erinnert.«
»Das reicht nicht. Bevor wir Beate Fischer als Zeugin zur Fahndung ausschreiben, brauchen wir mehr als Markus Kessels Fantasievorstellungen.«
»Was soll das denn heißen? Fantasievorstellungen! Wenn du ein Problem mit Schwulen hast, solltest du Herrn Kessel in Zukunft von jemand anderem befragen lassen.«
»Wenn du mir jetzt noch mit der Intuition unserer homosexuellen Mitbürger kommst, Korittki, dann gehe ich zu Fuß zurück ins Büro.«
»Das mit der Intuition hast du gesagt.«
Die zehnminütige Autofahrt zum Polizeibehördenhaus legten sie schweigend zurück.
17. KAPITEL
H offentlich zeigt Kläre Tensfeld dieses Mal bessere Nerven als bei unserem letzten Zusammentreffen.« Pia manövrierte den Dienstwagen schwungvoll in eine Parklücke vor dem Haus der Tensfelds.
»Ihre Nerven werden noch die gleichen sein. Aber dieses Mal weiß sie, was auf sie zukommt, wenn sie dich im Türrahmen erblickt.«
»Willst du sie provozieren, hast du mich deshalb gefragt, ob ich wieder mitkommen will?«
»Sagen wir mal, die Umstände haben es erforderlich gemacht. Aber es passt auch ganz gut. Frau Tensfeld ist Zeugin für die Ermittlungen im Mordfall Biederstätt, also meine Zuständigkeit. Da du jetzt an diesem Rickleff Degner dran bist, können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und gleich nach möglichen Querverbindungen zwischen den beiden Fällen suchen.«
»Deine Schwangerschaftstheorie hast du verworfen?«, stichelte Pia.
»Was? Das war doch nicht ernst gemeint. Ich will wissen, wo ihre alte Freundin Beate Fischer steckt. Und ich bin mir jetzt sicher, dass Frau Tensfeld weiß, wo sie sich zur Zeit aufhält.«
»Ist jetzt sicher, dass Markus Kessel Beate Fischer im Kupferhaus gesehen hat, und nicht Kläre Tensfeld?«
»Ja, das ist abgeklärt.«
»Na dann sieh zu. Freiwillig wird Frau Tensfeld den Aufenthaltsort dieser Beate Fischer bestimmt nicht verraten. Ich konzentriere mich lieber auf den toten Barmixer. Ich verwette einen Monatslohn darauf, dass sie ihn kannte.«
Kläre Tensfeld wohnte in einer Mansardenwohnung im Haus ihrer Eltern. Das alte Bauernhaus musste früher einmal ländlich gelegen haben, doch die Zersiedelung des städtischen Umlandes hatte es an einer Ausfallstraße inmitten eines Lübecker Vorortes zurückgelassen.
Zwei getigerte Katzen dösten auf einer Steinstufe in der Nachmittagssonne. Sie schienen die grundlegenden Veränderungen ihres Umfeldes nicht zu stören. Nur die Menschen hetzen hin und her und zermartern sich das Hirn, wer wann wem was angetan hat und warum, dachte Pia bei ihrem Anblick.
Sie folgte Marten Unruh eine überdachte Holztreppe hinauf, die zu einer Eingangstür im ersten Stock führte. Er klingelte.
Die Frau, die in der letzten Woche ohnmächtig vor Pia auf dem Boden gelegen hatte, sah heute noch verstörter aus als bei ihrem letzten Treffen. Ihr Gesicht war blass, und unter ihren Augen schimmerte die Haut bläulich. Ihr Haar hatte sie im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden.
Mit duldsamer Miene ließ Kläre Tensfeld die Polizeibeamten eintreten und geleitete sie in ihre Küche. Dort ließ sie sich ihnen gegenüber am Küchentisch nieder, verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg. Marten Unruh versuchte, mit ein paar einfachen Fragen die Verteidigungslinie der jungen Frau zu durchbrechen, aber es nutzte nichts. Sie leiertedie notwendigen Antworten herunter und spielte dabei mit ihrer Armbanduhr am Handgelenk. Ihre Augen waren auf einen Punkt zwischen Pia und Marten gerichtet, vielleicht auf eines der gerahmten Familienfotos hinter ihnen an der Wand.
Pia musste in Kläre Tensfelds Wohnung eine Art Fluchtinstinkt unterdrücken. Sie hatte das Gefühl, sich in einer überdimensionalen Puppenstube zu befinden. Ihr Versuch, durch eines der niedrigen Fenster einen Blick ins Freie zu werfen, wurde durch die nah am Haus stehenden Bäume vereitelt. Eine Fliege kämpfte surrend gegen eine blank geputzte Fensterscheibe an.
»… das war, als ich noch im Wohnheim wohnte«, hörte Pia die junge Frau gerade sagen. Erstmalig während Unruhs Fragenkatalog merkte sie auf.
»Wann und wo haben Sie in einem Wohnheim gewohnt? Ich dachte, dieses wäre Ihr Elternhaus.«
»Ja, ist es auch. Aber als ich die Ausbildung begonnen hatte, wollte ich gern mit meinen Kolleginnen zusammenwohnen. Ich dachte, das gehört dazu, als angehende Krankenschwester.«
»Moment, Sie haben angegeben, dass Sie eine Ausbildung zur Industriekauffrau
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