Engelsgrube - Almstädt, E: Engelsgrube
…«, bemerkte ein Kollege vom Dauerdienst.
Heidmüller stand nicht der Sinn nach Sarkasmus. Sein Vorschlag, mithilfe einer Kreuzpeilung Pias Mobiltelefon orten zu lassen, wurde heftig debattiert. Niemand glaubte so recht, dass Pia im Falle einer Entführung ihr Handy noch bei sich trug. Aber es war eine Chance, eine winzig kleine.
Um kurz nach eins meldete sich die Einsatzleitstelle bei Gabler. Es gab einen Zeugen, der beobachtet haben wollte, wie drei Personen eine vierte, offensichtlich bewusstlose Person in den Kofferraum eines Wagens geladen hatten. Das Ganze sollte in genau der Straße geschehen sein, zu der auch das Tor des Innenhofs führte, durch den Oswald Heidmüller die Diskothek verlassen hatte. Der Vorfall war aus einem Auto heraus beobachtet worden, und der Zeuge hatte offensichtlich eine Menge Bedenkzeit benötigt, bevor er sich bei der Polizei gemeldet hatte. Immerhin hatten sie jetzt eine Beschreibung des Fahrzeuges und sogar ein Autokennzeichen. Ein dunkelblauer oder dunkelgrüner Passat, der, so stellte sich heraus, auf eine Frau namens Barbara Engels zugelassen war.
Heidmüller, der Frau Engels und ihren Ehemann mit zwei Uniformierten aus dem Bett klingelte, hatte schnell das Gefühl, in der gepflegten Doppelhaushälfte an der falschen Adresse zu sein. Nachdem Barbara Engels und ihr Ehemann den Schreck über die nächtliche Störung überwunden hatten, gaben sie an, dass sich ihr Sohn den gesuchten Wagen übers Wochenende ausgeliehen hätte. Zögerlich nannten sie Heidmüller Namen und Adresse des Sohnes, verbunden mit der wohlmeinenden Vermutung, das Auto sei ihm bestimmtgestohlen worden. Vielleicht hatte es der Junge auch verliehen, naiv, wie er immer noch war … Heidmüller sah das etwas anders. Vor allem aber sah er die Angst in den Augen der Eltern.
Als Heidmüller das Haus mit seiner Eskorte wieder verließ, sank ihm der Mut. Er hatte sich schon so nah dran gefühlt. Ein unglaublicher Glücksfall, dass man Pias Entführung beobachtet hatte. Geradezu unglaublich, dass sie ein Autokennzeichen hatten. Aber unter Umständen führte diese Spur nirgendwo hin. Der Zeuge hatte im Dunkeln das Kennzeichen vielleicht nicht richtig erkannt. Ein einziger Zahlendreher, und alles war umsonst. Der Wagentyp und die Farbe passten allerdings zu dem beschriebenen Auto, wie er von Barbara Engels erfahren hatte.
»Wir haben das Autokennzeichen an alle Streifenwagen durchgegeben«, sagte der Kollege am Funkgerät zu Heidmüller, als sie quer durch die Stadt zu der Adresse von Jens-Olaf Engels fuhren. »Der Wagen kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben.«
Nein, aber es gab Garagen, uneinsehbare Grundstücke und Hinterhöfe, sogar einsame Waldparkplätze und wer weiß noch was für Orte, an denen man ein Auto verstecken konnte, dachte Heidmüller unruhig. Wer immer Pia entführt hatte, konnte es sich nicht leisten, sie lebend aus dieser Sache herauskommen zu lassen.
Jens-Olaf Engels’ Studentenbude war eine Erdgeschosswohnung in einem heruntergekommenen Mietshaus in der Nähe der Wakenitzmauer. Nachdem auf das Klingeln und Klopfen niemand öffnete, warf sich Heidmüller mit ganzer Kraft gegen das Türblatt, und die Tür sprang krachend auf.
»Das wollte ich schon immer irgendwann mal machen«, sagte er zu den konsterniert blickenden Kollegen in Grün.Die Konsequenzen seiner Handlungen waren ihm mittlerweile gleichgültig. Am liebsten hätte er in diesem Dreckloch von Wohnung alles kurz und klein geschlagen.
Mit schnellen Schritten durchmaß er den Wohnraum mit Kochnische, schaute in das winzige Bad und die Besenkammer. »Verwahrlost« war noch ein beschönigendes Adjektiv, wenn man den Zustand dieser Behausung beschreiben wollte. Und es war niemand da. Heidmüller wusste nicht, was er sich eigentlich erhofft hatte, aber das, was er vorgefunden hatte, machte ihn erst recht mutlos. Er sank auf die zerschlissene Couch und stützte einen kurzen Moment den Kopf in seine Hände. Er hatte es falsch, völlig falsch angefangen und jeden erdenklichen Fehler gemacht, den man machen konnte, sagte er sich.
Er war mit Pia mitgekommen, weil er sich geschmeichelt gefühlt hatte, von ihr gefragt zu werden. Dabei war das ganze Vorhaben, ins Sub zu gehen, so schwachsinnig gewesen wie nur was. Das hatten sie nun davon: ein einziger Schlamassel.
Einer der anwesenden Beamten sah ihn ratlos an. Als sich sein Funkgerät meldete, verschwand er in den winzigen Flur. »Wir haben was!«, sagte er, als er kurz
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