Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
seufzte. „Weihnachten war diese schlimme Grippe, und dann klagte sie immer über Gliederschmerzen, und dass sie so empfindlich ist gegen Sonnenlicht, aber das weißt du ja.“
Also nichts, was über Emilys übliche Jammerei hinausging. Nichts über Leukämie. Warum hatte sie niemandem davon erzählt, außer ihrer seltsamen Freundin bei Etherlight? War es ihr unangenehm? Emily litt unter so vielen Phantomkrankheiten, dass sie eine echte vielleicht aus dem Gleichgewicht warf. Blutkrebs war kein Kinderspiel. Gut möglich, dass ihr die Nerven durchgebrannt waren und sie sich einbildete, ihre Freunde und Familie würden ihre Krankheit abstoßend finden. Nichts war für Emily schlimmer, als zurückgewiesen zu werden.
„Mom, ich muss dich was wegen Stephan fragen.“
Schweigen auf der anderen Seite.
„Ich muss mit ihm reden. Ich glaube, er weiß mehr, als er zugibt, aber er geht nicht ans Telefon, wenn ich ihn anrufe.“
„Ja?“, fragte ihre Mutter hilflos.
„Weißt du, wo er wohnt?“
„Nein.“
Eine lange Pause, in der Peinlichkeit schwang. Mom war es unangenehm, nicht zu wissen, wo der Verlobte ihrer Tochter lebte. Es bedeutete, dass sie noch nie in sein Haus eingeladen worden war und das wiederum konnte sie nur schwer zugeben, selbst vor Violet.
„Hat Emily nie was erwähnt?“
„Sie hat von seinem Penthouse in Downtown erzählt, mit einem toskanischen Garten auf dem Dach im vierzehnten Stock, den er ganz fürsich allein hat.“
„Aber du hast keine Adresse?“
„Sie haben Personal für alles“, fuhr ihre Mutter fort, ohne auf die Frage zu antworten. „Angestellte, um die Autos zu parken und zu waschen. Putzleute und einen Concierge. Man kann das Haus nur betreten, wenn man ein Mitglied ist oder ein Freund des Mitglieds.“ Moms Stimme stabilisierte sich. „Emily war sehr stolz darauf.“
„Ein nobles Clubhaus in Downtown L.A. mit einem toskanischen Dachgarten“, murmelte Violet. „Damit sollte etwas anzufangen sein.“
„Was hast du denn vor, Kind? Willst du ihm etwa auflauern?“
„Wenn’s sein muss.“
„Was machen wir jetzt?“, fragte Gabriel. Er war mit Cyric in den kleinen Korridor getreten, außer Hörweite von Charles. Keith folgte ihnen mit ein wenig Abstand.
„Du weißt, dass Katherina immer noch verärgert ist?“ Cyric setzte sich auf die Treppenstufen.
„Warum? Wir haben das Rätsel um die Entführungen gelöst. Sie sollte uns Rosen schicken.“
„Wir untergraben ihre Autorität.“ Cyric lachte ohne Humor. „Ich habe sie nicht um Erlaubnis gefragt, bevor wir gestern Nacht die VORTEC Klinik auseinandergenommen haben. Und deshalb wird sie jede weitere Suche boykottieren.“
Gabriel nickte. Er konnte Katherina verstehen. Sein offener Angriff hatte Flecken auf ihrer schimmernden Rüstung als Anführerin der Garde hinterlassen. Obgleich selbstmörderisch, hatte seine Attacke den anderen vor Augen geführt, dass Katherina nicht unantastbar war. Das wurmte sie und forderte ihren Widerstand heraus. Sie trug zu viel Verantwortung, um ihre Entscheidungen aufgrund persönlicher Eitelkeit treffen zu können. Dennoch tat sie genau das. Sie nutzte ihre Macht, um die Garde zu blockieren und er war sicher, dass es mit Thomasz zu tun hatte. Auch wenn neben Thomasz noch ein gutes weiteres Dutzend Schattenläufer verschwunden waren, die nun zu Bauernopfern in Katherinas persönlichem Feldzug wurden, dessen Motive ihm immer noch unklar waren.
„Sie sagt, mit Marcos Tod hat sich das Problem erledigt.“
„Nein. Ich bin sicher, das hat es nicht.“
„Marco war der Kopf hinter den Entführungen.“ Cyric rieb sich über die Stirn. „Katherina denkt, dass VORTEC seine Blutgier ausgenutzt hat. Er musste regelmäßig töten, um seine Sucht zu füttern und VORTEC gab ihm die Infrastruktur. Für ihn war es ein guter Deal, er konnte fortan nicht nur menschliches Blut trinken, sondern auch das seiner eigenen Art. Der ultimative Kick. Also hat er die Schattenläufer für VORTEC aufgespürt und mit einer Bande erfahrener Kidnapper in seine Gewalt gebracht. Sie denkt, dass unsere Leute längst tot sind.“
„Und was denkst du?“
„Ich denke, Katherina hat recht, was Marcos Motivation anging. Marco de Calzo war ein hundertprozentiger Junkie. Und er war stark. Ich schwöre, als du ihn zur Strecke gebracht hast, hatte er getrunken und das war kein menschliches Blut, das da in seinen Adern kreiste.“
„Denkst du auch, dass es keine weiteren Entführungen geben wird?“
„Wenn
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