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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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hatte ihr zuerst Angst eingejagt. Sie hatte nicht gewusst, dass sie zu einer solch kraftvollen Emotion fähig war. Diese Wut fühlte sich übermenschlich an, wie ein Lavastrom, der verbrennt, was sich ihm in den Weg stellt, der nicht zögert und nicht denkt. Aber dann sah sie die pure Schönheit, die darin lag und verstand, dass sie sich nicht davor fürchten musste. Ihre Wut richtete sich auf Carl.
    Carl und seine Spiegelfechtereien. Sie hatte ihm vertraut, hatte seine Anweisungen befolgt, stets getan, was er von ihr verlangte. Denn er hatte ihr den Engel versprochen. Doch nun hielt er sie hin und erfand immer neue Ausflüchte. Er befahl ihr, geduldig zu sein.
    Geduldig? Er musste ihr nur ins Gesicht sehen, um zu sehen, dass die Zeit für Geduld verstrichen war. Innerlich kochend schob sie sich hinter das Lenkrad des Audi Cabrios, das Stephan ihr geschenkt hatte. Sie rammte die Tür so wuchtig hinter sich zu, dass die Scheibe sprang.
    Vor den Blicken der Wachen geschützt, zog sie einen Handschuh aus und betrachtete die Deformation auf ihrem Handrücken. Wo ihre Finger ansetzten, hatten sich Verdickungen gebildet, eine über jedem Knöchel. Über dem Zeige- und Mittelfinger durchbrachen purpurfarbene Dornen die Haut. Ein Grat wuchs hinab zum Handrücken, wie der Kamm eines Drachens. Der Anblick verhärtete die Verzweiflung in ihrem Herzen zu einem schwarzen Klumpen. Sie wollte weinen, doch hatte keine Tränen mehr. Tagelang hatte sie getobt, geweint und gebrüllt, doch niemand war gekommen, um ihr zu helfen. Weil niemand ihr helfen konnte. Es gab nur dieses vage Versprechen.
    Ein Engel.
    Das Blut eines Engels sollte sie heilen. Ihre Schönheit wieder herstellen, die Entstellungen ungeschehen machen, die Albträume, die schleichende Mutation, die sie nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in ein Monstrum verwandelte.
    Doch wo war dieser Engel?
    Sie hatte so sehr an Carl geglaubt. Aber Carl hatte versagt und Stephan würde sie auch nicht retten. Seine Lippenbekenntnisse machten sie krank. Dennoch konnte sie Stephan nicht abschreiben, bevor sie nicht sicher war, dass Carl des Engels habhaft werden konnte. Jetzt hatte Stephan den Gefangenen in seiner Gewalt und ließ sie nicht mit ihm sprechen. Er versteckte ihn vor ihr. Als ob er ihr nicht mehr traute. Frustriert hieb sie mit der Faust auf das Lenkrad. Es tat nicht mehr weh. Ihre Haut hatte aufgehört, zu bluten und ganz und gar diese schuppige, rotbraune Konsistenz angenommen, die sie nahezu unempfindlich gegen Schmerz machte. Hinter ihrem Schleier entblößte Emily die Zähne und tastete mit der Zunge über die Konturen. Selbst ihr Gebiss veränderte sich. Ihr Zahnfleisch fühlte sich wund an und quälte sie Tag und Nacht. Dahinter aber lauerte etwas viel Schlimmeres. Dieses leise Ziehen, dieser Hunger, vor dem sie sich noch mehr fürchtete als vor ihrem Spiegelbild.
    Emily schloss die Augen, um die Erinnerung an Inez auszusperren. Verräterin! Inez hatte ihr Schicksal verdient. Sie war nicht wichtig. Nur ein weiteres Ärgernis, das ihren Zorn auf Carl schürte. Seine Männer hätten die Leiche beseitigen sollen, doch nun überwachten Cops das Haus und sie konnte nicht mehr hinein.
    Sie drehte den Zündschlüssel herum, ließ den Motor aufheulen und stieß rückwärts aus der Parklücke. Sie würde schon herausfinden, wo Stephan den Gefangenen versteckte. Auch wenn sie dafür jede Tür in dem verdammten Labor aus den Angeln reißen musste. Dann würde sie eben selbst in Erfahrung bringen, wo sich der Engel versteckte, wenn Stephan nicht Manns genug war, den Kerl zum Reden zu bringen. Stephan mochte Skrupel haben, sie hatte jedenfalls keine. Sie hatte nichts zu verlieren.

20
    H
lan Schattenherz traf kurz nach Mitternacht ein. Violet wusste nicht genau, was sie nach den Bemerkungen von Gabriels Freunden erwartet hatte, doch Alan war keinesfalls ein zwei Meter großer Riese in eiserner Rüstung.
    Der Mann, der aus dem grauen Dodge Magnum stieg, war schlank und athletisch und einen halben Kopf kleiner als Gabriel. Er trug einen Rucksack über der Schulter und ein Katana in einer mattschwarzen Scheide. Als er in den Lichtschein trat, sah Violet, dass er ein schönes Gesicht hatte, kaukasische Züge mit einem arabischen Einschlag, gebräunte Haut und pechschwarzes Haar. Er hielt auf Gabriel zu, der ihm eine Hand entgegenstreckte. Alan umfasste seinen Arm, dann standen sie und sahen sich an. Ein erwartungsvolles Schweigen breitete sich aus, das niemand der

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