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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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ließ.
    „Wir schlafen nebenan ...“ Gabriel zögerte, „wenn es dir recht ist.“
    „Ist okay.“ Sie lächelte ein wenig. Doch es erleichterte ihn nicht.
    Thomasz’ zweites Gästeapartment verfügte über eine doppelflügelige Tür, die auf die Laderampe führte. Zwei Orangenbäumchen in Holzkübeln säumten einen Holztisch und Klappstühle mit Leinenkissen. Lichtstreifen aus Thomasz’ Loft und Emilys Zimmer fleckten den Beton.
    „Können wir ein Stück gehen?“ Violet senkte ihre Stimme. „Ich möchte nicht, dass Emily uns hört.“
    Gabriel sprang von der Rampe und streckte eine Hand nach ihr aus, um ihr herunterzuhelfen. Er hielt ihre Finger länger umfangen als notwendig. „Was ist mit dir?“
    „Du hast sie gesehen.“ Sie klang heiser. „Irgendwas stimmt nicht mit ihr.“
    Gabriel verschluckte die Antwort, die ihm in den Sinn kam. Er wusste genau, was nicht mit Emily stimmte. Doch Violet würde das nicht gefallen. Nebeneinander überquerten sie den Hof.
    „Danke, dass ihr Marshall gerettet habt“, sagte sie.
    „Alans Blut ist makellos“, gab er zurück. „Es wird nur eine kleine Narbe zurückbleiben.“
    Zischend sog sie die Luft ein. „Glaubst du etwa immer noch, dass dein Blut kontaminiert ist?“
    Was sollte er darauf erwidern? Er wusste nicht mehr, was er glauben konnte.
    „Du hast den Arzt gehört“, fuhr sie fort. „Es ist ein Zelldefekt. Ein Zelldefekt beim Empfänger! Es hat überhaupt nichts mit deinem Blut zu tun. Dieser Savoyen, das war ein Zufall! Ein unglücklicher Zufall.“
    „Es war nicht nur Savoyen.“
    Sie blieb stehen. „Was?“
    Zoe. Die Lippen zurückgezogen, Blutdurst im Blick. Er schloss die Augen, weil sie brannten. Doch das löschte nicht das Bild in seinem Kopf. Zoes lebloses Gesicht, ein gebrochener Engel. Oh Gott. Er schauderte.
    „Erzähl mir davon.“
    Ihn faszinierte immer wieder, wie fein ausgeprägt ihr Gefühl für seine Stimmungen war. Wie sie instinktiv erfasste, was in ihm vorging. Ihre Stimme klang versöhnlich, ganz ohne Härte. Sie mochte impulsiv sein und dickköpfig, doch sie war auch bereit, ihn anzuhören. Die Vorstellung, sie zu verlieren, war unerträglich. Er musste wieder an Emily denken und der eisige Klumpen in seinem Magen wurde größer. Wenn die Mutation bereits eingesetzt hatte, was sollte er dann tun?
    „Es gab eine Frau. Zoe. Wir wollten heiraten.“
    Unwillkürlich versteifte sich Violet. Gabriel lachte leise. „Keine Sorge. Das ist ein paar Hundert Jahre her.“ Er warf ihr einen Blick zu und sah, dass sie ebenfalls lächeln musste.
    „Tut mir leid“, sagte sie. „Du bringst meine schlechtesten Charaktereigenschaften zum Vorschein. Glaubst du, dass ich sonst nicht so besitzergreifend bin?“
    Statt einer Antwort nahm er ihre Hand und küsste ihre Fingerspitzen.
    „Was war mit Zoe?“
    „1711 wütete die Pest in Prag wie eine biblische Plage. Zoe steckte sich an. Ein Todesurteil.“ Er holte tief Atem. „Ich wollte sie retten und gab ihr mein Blut. Sie starb nicht, doch sie verwandelte sich.“
    Schweigen hing zwischen ihnen wie erstarrte Kristalltropfen. Sie blieben unter einer Brücke aus Glas und rostigem Eisen stehen, die über und über mit Efeu bewachsen war.
    „Was hast du getan?“ Violets Frage war wie ein Windhauch.
    „Sie wollte mehr Blut. Ich gab es ihr. Aber das war ihr nicht genug. Ihr stand der Sinn nach Abwechslung.“ Er wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Sie begann, Kinder zu töten.“
    „Oh.“ Ein kleiner Laut aus Entsetzen.
    „Ich habe versucht, sie abzuhalten. Wir haben gekämpft. Sie ist gestürzt und hat sich das Genick gebrochen.“
    Diesmal zog das Schweigen sich länger. Wie eine Spinnwebe, mit Tautropfen besetzt, die keiner zu erschüttern wagte.
    „Es tut mir leid“, flüsterte Violet. Sie sah ihn lange an. „Ich habe Angst wegen Emily.“
    „Ich weiß.“ Seine Kehle fühlte sich trocken an. „Sie versteckt ihre Hände und ihr Gesicht.“
    „Gabriel“, die Panik schimmerte durch ihre Stimme, Entsetzen und Hilflosigkeit. „Was können wir tun?“
    „Der Prozess ist unumkehrbar.“
    „Ja, aber ...“ Die Aggression war zurück in ihrer Stimme. Die unterdrückte Wut. „Sie ist meine Schwester!“
    „Die beiden Hunde, die durch die Fenster kamen.“ Er nahm ihren Kopf in beide Hände. Sie machte eine unwillige Bewegung, doch er ließ sich nicht abschütteln. „Das war nur die Nachhut. In diesem Fabrikgebäude hat uns ein Dutzend dieser Bestien angegriffen.

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