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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sah.
    Gabriel und Emily rangen miteinander, taumelten und gingen zu Boden. Ihre Schwester hatte den Hut verloren. Knurrend und fauchend schlug sie auf Gabriel ein. Er packte eines ihrer Handgelenke, griff nach dem anderen, verfehlte sie. Emily zog ihm die Nägel über die Wange, er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. Ihr Kopf flog zurück, sie schrie erneut. Es klang wie der Hilferuf eines verwundeten Tieres.
    „Aufhören!“, brüllte Violet. „Hört sofort auf!“
    Gabriel richtete sich halb auf, ohne Emilys Arme loszulassen. Mit seinen Knien nagelte er sie am Boden fest. Emily wand sich unter ihm wie eine Furie.
    „Lass sie los, Gabriel!“ Sie versuchte, einen Blick auf das Gesicht ihrer Schwester zu erhaschen, doch das war nicht so einfach. Ein Gewirr schwarzer Locken fiel Emily in die Stirn, während sie so fanatisch kämpfte, dass sich das Bild einer tobenden Raubkatze aufdrängte, die sich mit den Hinterläufen in einer Bärenfalle verfangen hat.
    „Sie wollte sich aus dem Staub machen“, stieß Gabriel hervor. „Ich habe sie mit meinem Autoschlüssel erwischt.“
    Emily riss den Kopf hoch und rammte ihm die Stirn in die Kehle. Ein Keuchen entfuhr ihm, ob Überraschung oder Schmerz, ließ sich nicht genau sagen. Er holte ein zweites Mal aus und ohrfeigte sie fester als zuvor. Emilys Kopf prallte auf den Boden. Ihre Pupillen waren geweitet, die Lippen zurückgezogen. In einer Mischung aus Wut und Entsetzen starrte Violet ihr ins Gesicht.
    Die großen, blaugrauen Augen unter dem Kranz pechschwarzer Wimpern waren das Einzige, das noch an die Frau erinnerte, die ihre Schwester war. Emilys Hals und ein Großteil ihres Gesichtes waren von einer schuppigen, rotbraunen Kruste überzogen. Ihr Gebiss sah aus wie eine dieser albernen Vampirmasken, die man sich zu Kostümbällen in den Mund einsetzen konnte, nur dass die Reihe vorspringender Reißzähne echt war. Rötlicher Speichel schimmerte auf ihren Fängen.
    „Sieh sie dir an!“ Gabriels Stimme klang atemlos. „Sieh genau hin! Das ist kein Mensch mehr, was du hier siehst. Das war vielleicht einmal deine Schwester, aber jetzt ist sie es nicht mehr.“
    Emilys Augen füllten sich mit Tränen, ihre Lippen zitterten. Schluchzer quälten sich ihre Kehle hinauf. „Es war Stephan“, röchelte sie. „Es ist nicht meine Schuld.“
    „Lass sie los“, wiederholte Violet. Die Wucht der widerstreitenden Gefühle in ihrem Inneren drohte, ihr die Luft abzuschnüren. Sie hatte plötzlich schreckliche Angst, dass Gabriel ihrer Schwester die Kehle durchschneiden würde. Er sah so zornig aus, so entschlossen. Bei allem, was ihr lieb war, sie konnte nicht zulassen, dass er Emily etwas antat. Auch wenn sie ahnte, dass sie das später vielleicht bereuen würde, zog sie ihre Pistole. Was sollte sie sonst tun? Worte wirkten nicht. Sie entsicherte die Waffe und richtete sie auf seinen Kopf.
    „Lass sie los.“
    Er starrte sie an, als habe sie den Verstand verloren. „Violet ...“
    „Lass sie los, verdammt!“ Ihre Stimme überschlug sich. „Oder ich feuere das komplette scheiß Magazin auf dich ab.“
    Groll glitt über sein Gesicht, Fassungslosigkeit, wütende Resignation. Schließlich gehorchte er, stand auf und trat zurück. Emily wälzte sich schwerfällig herum und kam auf die Knie. Violet trat näher, ohne die Waffe zu senken und streckte eine Hand nach ihrer Schwester aus. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch Emilys Handrücken von den rötlichen Schuppen überzogen war. Als ihre Finger sich um die Hand schlossen, glaubte sie ein Pulsieren unter ihren Fingerspitzen zu spüren, wie Myriaden winziger Schlangen unter trockenem Laub. Sie schauderte, doch ließ nicht los.
    „Komm!“, befahl sie. Emily bückte sich nach ihrem Hut und den Handschuhen. „Mach schon!“
    „Das ist ein Fehler“, sagte Gabriel. „Du hast nicht gesehen ...“
    „Was?“, schnitt sie ihn ab. „Was habe ich nicht gesehen? Das Massaker, das ihr unter den armen Kreaturen angerichtet habt?“ Sie wusste, dass sie ungerecht war. Es versetzte ihr einen Stich, wie sich Gabriels Züge verhärteten, doch sie konnte nicht zurück. „Wer zur Hölle hat euch berufen, über Gut und Böse zu richten? Wie kannst du behaupten, sie sei ein Monstrum? Ausgerechnet du!“
    Sie war froh, dass Emily endlich ihrer Aufforderung Folge leistete, sich hinter sie stellte und sie ihr nicht länger ins Gesicht sehen musste. Sie ließ die Hand ihrer Schwester los und bückte sich nach ihrer Tasche. Dann

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