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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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gedauert, bis sie mich entdeckt haben.“
    „Sie hat recht“, sagte Cyric. „Das hier ist anders. Niemand weiß, dass wir kommen. Also kann niemand sie warnen.“
    „Was ist, wenn ich falsch liege?“ Violet biss sich auf den Daumennagel. „Was, wenn sie nicht in Matavilya Crest sind?“
    „Dann können wir uns zumindest nicht vorwerfen, dass wir es nicht versucht hätten“, sagte Pascal.

    Gabriel spürte, wie Stephan vom Licht in die Schatten hinüberglitt. Er lauschte dem Zittern an den Rändern von Stephans Aura, konzentrische Kreise aus Leere, die sich fortpflanzten wie Wellen auf einer Wasserfläche. Sein Blick blieb an Augen seines Vaters hängen, die unnatürlich glänzten, als kreisten noch immer Drogen in seinem Blut. Zwei Männer hielten Thomasz an den Armen gepackt, während ein dritter die Maschinenpistole auf ihn richtete.
    Thomasz’ Züge waren zu einer Maske aus Schock und Beklommenheit gefroren. Gabriel begriff nicht, warum er sich nicht zur Wehr setzte. Wenn er ein Erstgeborener war, musste er über Kräfte verfügen, die jenseits aller Vorstellungskraft lagen. Wieso benutzte er sie nicht? Warum ließ er sich an diesen Balken ketten wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt? Dann bemerkte er die Einschussstellen auf der Weste seines Vaters, runde Löcher, die Ränder ausgefranst und blutverkrustet. Eine blinde, zerstörerische Rage wallte in ihm auf. Thomasz ertrug keine körperliche Gewalt. Die Transformation erfüllte ihn mit Entsetzen. Gabriel hatte es nur ein einziges Mal erlebt, als deutsche Nazis sein Haus bei Krakau in Brand steckten und die Bewohner und Angestellten niederschossen.
    Es war eine schlimme Heilung gewesen, aus der Thomasz verstört und traumatisiert hervorgegangen war. Es dauerte Monate, bis er zurückfand zu seinem alten Selbst.
    Er mochte physisch in der Lage sein, seine Peiniger zu zerschmettern, doch seine Psyche lähmte die Kräfte.
    Carl spielte mit seinem Armeedolch. Er wirkte zerstreut. Dann plötzlich fuhr er herum und drückte Thomasz die Klinge gegen die Kehle. Gabriel zerrte an seinen Fesseln. Seine Handgelenke waren glitschig von seinem Blut.
    „Du wolltest mir von dem Engel erzählen.“
    Carl, so weich und kultiviert.
    „Er könnte sonst wo sein“, stieß Thomasz hervor. Der Klang seiner Stimme versetzte Gabriel einen Schock. „Irgendwo auf dieser Welt. Wir würden ihn niemals finden, wenn er nicht gefunden werden will.“
    Gabriel spannte sich an, im gleichen Maße, in dem sein Vater sich verkrampfte. Er spürte es, so wie er Stephans Sterben spürte. Thomasz’ Geist streifte sein Bewusstsein wie ein kleines Tier, das vor Kälte zittert, doch nicht wagt, sich zu rühren. Seine Hand in den Eisen rutschte einen Millimeter weiter.
    Doch der Stoß mit dem Dolch kam nicht. Stattdessen drehte Carl sich um und blickte Gabriel an. Er lächelte.
    „Du hast mich nicht belogen.“ Ein höfliches, distanziertes Lächeln, wie unter Geschäftspartnern, die sich eine Zeit lang nicht gesehen haben. „Du hast es nur versäumt, mich auf eine kleine, aber folgenreiche Verwechslung aufmerksam zu machen.“ Sein Kopf flog zurück zu Thomasz. „Aber dank dieser Familienzusammenführung habe ich ja meinen Spezialisten endlich gefunden. Ein Vögelchen hat mir zugeflüstert, dass der Engel sich höchstwahrscheinlich noch in der Nähe des Ortes aufhält, an dem er erweckt worden ist. In Los Angeles. In den San Gabriel Mountains. Vielleicht in der Wüste.“ Er machte eine ausholende Bewegung mit dem Arm. „Jedenfalls nicht am anderen Ende der Welt. Das stimmt doch, mein gelehrter Freund?“
    Thomasz antwortete nicht. Er starrte Carl an. Sein Gesicht hatte eine fahlgraue Farbe angenommen. Gabriel registrierte das winzige Nicken, das Carl einem Blondschopf in einer leuchtend blauen Lederjacke zuwarf, der neben ihm stand. Der Schuss krachte ohrenbetäubend. Thomasz schrie, ein unmenschlicher Laut, der Gabriel den Verstand raubte. Er tobte, riss an seinen Ketten, weil er nicht anders konnte. In einem Wimpernschlag verwandelte sich das Innere der Kapelle in ein Inferno. Ein Hieb in die Magengrube ließ Gabriel würgen, ein zweiter Schuss fiel und Thomasz in seiner Agonie verlor jede Menschlichkeit.
    „Sag es ihm, verdammt“, brüllte Gabriel. „Sag es ihm! Wen interessiert dieser Engel?“
    Thomasz’ Schreie verebbten. Blut sickerte aus einer Wunde über seinem Knie und sammelte sich in einer Lache am Boden.
    „Sag es ihm.“ Gabriels Kehle brannte.
    „Sag es

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