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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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wirklich die Architektur des Tunnels erfassen zu können. Vor ihnen platschte etwas. Ein Flattern. Violet erstarrte.
    „Monsterratten“, unkte Marshall.
    Nerven behalten, ermahnte sie sich. Ratten oder Fledermäuse waren nichts, das sie fürchten mussten. Wäre es größer gewesen, hätte der Lichtstrahl es erfasst. Trotzdem hämmerte ihr das Herz bis zur Kehle. Violet sah wieder Marvs Pranke vor sich. Die Früchte des Teufels.
    „Wo ist die verdammte Wand?“, fragte sie halblaut.
    „Kurz vor dem Ende des Tunnels. Geh einfach weiter.“
    Sie gehorchte, aber tastete mit der freien Hand nach der Pistole. Die Browning BDM ruhte im Halfter, warm von ihrem Körper. Die Mauer vor ihr machte eine Biegung. Das Licht tanzte über Beton voller Graffiti und Flecken schwarzen Mooses. Einen Augenblick später enthüllte der Strahl ein Gesicht, das keines war und ein so abgründiges Entsetzen in ihr auslöste, dass ihr ein erstickter Schrei entwich. Reflexartig schaltete sie die Taschenlampe aus. In die Schwärze spritzte Wasser unter schweren Schritten, die auf sie zuhielten.
    „Zurück!“, krächzte sie und rannte schon, bevor sie den Laut ganz ausgestoßen hatte. Sie stieß gegen Marshall, packte ihn an der Jacke und zerrte ihn mit. „Lauf!“
    Gott sei Dank fragte er nicht, sondern gehorchte blind. Die Panik sträubte ihre Härchen im Nacken und verlieh ihr schier übermenschliche Kräfte. Ihr Herz raste wie wahnsinnig. Angst schoss durch ihre Adern, eine urtümliche Furcht, die den Fluchtinstinkt in ihr befeuerte. Ihr Verfolger holte auf, sie hörte seine Schritte. Oder waren es mehrere? Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass ihre Taschenlampe etwas Grausiges erfasst hatte. Etwas, dem sie sich nicht stellen konnte. Nicht einmal mit ihrer Waffe.
    Ein Steinchen traf sie an der Wange, während sie rannte, stolperte, rutschte und sich wieder aufraffte. Feine Splitter, wie der Biss eines Insekts, dann hörte sie ein metallisches Ploing und das Jaulen eines Querschlägers.
    Oh Gott, die hatten Pistolen und feuerten auf sie. Das waren schallgedämpfte Schüsse. Ihr Mund wurde trocken. Ein Stechen breitete sich in ihrer Brust aus, das mit jedem Atemzug schlimmer wurde. Es war reines Glück, dass sie die Leiter nicht verfehlte. Die Finsternis war absolut. Mit der Schulter rammte sie das Eisengestell, ein dumpfer Schmerz schoss ihren Arm hinunter.
    „Shit“, fluchte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Sie half Marshall auf die erste Sprosse und zog sich hinter ihm hoch. Kugeln prallten vom Metall ab. Wie konnten die Typen im Dunkeln zielen? Oder wahrscheinlich zielten sie nicht, sondern hielten einfach in ihre Richtung.
    Eine Hand über die andere.
    Klettern.
    Eine Erschütterung ging durch die Leiter, als ob ein schweres Gewicht daran rüttelte.
    „Nicht langsamer werden“, keuchte sie.
    Marshall bewegte sich stetig weiter und sie war dankbar, dass er nicht zusammenbrach oder die Nerven verlor oder einfach aufgab.
    Dann war endlich die Plattform über ihr. Sie spürte die Verfolger in ihrem Nacken, schwere Stiefel ein paar Sprossen tiefer. Marshall stand vor ihr, eine dunkle Masse in der Schwärze. Sein Atem rasselte so laut wie bei einem Asthmatiker.
    „Lauf!“, brüllte sie.
    Dicht hintereinander tauchten sie in das Rohr ein. Violet erwartete jeden Moment den Schlag zwischen ihre Schulterblätter, eine Kugel, die sie in der Enge nicht verfehlen konnte. Der Einschlag würde sie nach vorn reißen und Marshall ins Stolpern bringen. Dann konnten sie auch ihn erledigen, sobald sie freies Schussfeld hatten.
    Doch niemand schoss. Im Gegenteil, die Stiefeltritte hinter ihnen hielten abrupt inne. Dann hörte sie keine Schritte mehr außer ihren eigenen, die gespenstisch in der Röhre hallten. Sie taumelte ins Freie, stemmte sich gegen die Luke und schloss den Spalt. Metall klingelte gegen Metall. Marshall fummelte mit der Kette herum und zog das Ding durch die Ösen. Sie wühlte das Vorhängeschloss aus ihrem Rucksack und ließ es einschnappen.
    „Oh Gott“, stammelte sie, mehr zu sich als zu Marshall. „Was zur Hölle war das?“
    Ein gewaltiges Zittern überlief sie. Ihr Puls raste, sie schwitzte und fror zugleich. Erst allmählich registrierte sie, dass niemand von innen an der Luke riss und versuchte, das Schloss zu zerbrechen. Ihre Verfolger hatten ohne ersichtlichen Grund aufgegeben. Dabei hätten die sie in dem engen Rohr erledigen können. Warum hatten sie sich zurückgezogen? War sie in fremdes Revier

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