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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sonst erlebt er den Morgen nicht, und das kann ich nicht zulassen.“
    Er schob die Pistole in den Bund seiner Jeans und beugte sich über Gabriel. Sie konnte nicht genau erkennen, was er tat.
    „Dein Kumpel schläft ein bisschen“, rief der Mann, ohne sich zu ihr umzusehen. „Keine Sorge. Der kommt bald wieder zu sich.“
    Als er sich schließlich aufrichtete und zu ihr umdrehte, sah sie das hässlich gekrümmte Messer in seiner Faust. Blut lief ihm über den Arm und tropfte von seinen Fingern zu Boden.
    „Wie gut kennt ihr euch?“
    „Was meinst du?“ Sie konnte den Blick nicht von der Klinge lösen.
    „Hast du einen Platz, wo er bleiben kann?“
    „Ja“, sagte sie, weil sie sonst nichts zu sagen wusste. Sie fror. Ihr Körper schmerzte, ihr Geist war wund.
    „Gut.“ In einer beiläufigen Bewegung wischte der Kerl das Blut an der Hose ab und hielt ihr die Hand hin. „Ich bin Keith.“
    Die Rückfahrt verlief in bedrücktem Schweigen. Sie kamen schnell voran, der Freeway war beinahe leer. Vor einem klaren Nachthimmelleuchteten die Türme von Downtown Los Angeles.
    Marshall sprach kein Wort. Ab und zu schoss er Violet einen seiner Nur-dass-du-es-weißt-du-bist-für-meinen-Tod-verantwortlich-Blicke zu. Ihre kleine Exkursion hatte ihn sichtlich erschüttert.
    „Was machen die Kopfschmerzen?“, fragte Violet vorsichtig.
    Seine Antwort war ein unverständliches Grunzen. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel, um sich zu vergewissern, dass die Scheinwerfer von Keith’ Wagen noch hinter ihr waren. Den Rest des Weges herrschte Stille. Sie hielt vor Marshalls Haus in der Adkisson Avenue, um ihn abzusetzen. Mit steinerner Miene stieg er aus, doch hielt die trotzige Pose nicht durch und drehte sich schließlich zu ihr um. Sie ließ die Scheibe herunter.
    „Bist du sicher?“, fragte er.
    „Keine Sorge.“ Sie lächelte und hoffte, dass er ihr die Lüge nicht vom Gesicht ablas. „Ich kenne den Kerl. Mir passiert schon nichts.“
    Sein Schulterzucken verriet Resignation. „Du bist erwachsen.“
    Als sie zwanzig Minuten später vor der chinesischen Erlöserkirche parkte, Keith’ dunkelblauen Ford Explorer noch immer im Schlepptau, war sie froh, dass sich in dieser Gegend nach Einbruch der Dunkelheit kaum noch Leute auf der Straße blicken ließen. Keith wuchtete sich Gabriels schweren Körper auf die Schulter und trug ihn ohne sichtbare Anstrengung die Treppen hinauf zu ihrem Apartment. Violet verdrängte den Gedanken an ihre neugierigen philippinischen Nachbarn. Mit steifen Fingern schloss sie die Tür auf und schaltete das Licht ein.
    „Aufs Sofa“, sagte sie.
    Keith ließ seine Last auf die Polster sinken. Gabriel gab keinen Laut von sich. Das einzige Lebenszeichen war ein kaum merkliches Flackern seiner Lider.
    „Weißt du, was er ist?“, fragte Keith.
    „Was meinst du?“ Dabei wusste sie genau, was er meinte.
    Sagen wir, bei mir heilen körperliche Verletzungen etwas schneller als üblich
.
    Gabriels Stimme hallte in ihrer Erinnerung, als spräche er laut in ihrem Geist. Die verrückte Engelsstory. Wann hatte ihre Welt eigentlich begonnen, aus den Fugen zu brechen?
    „Du weißt es“, stellte Keith fest, als habe er ihre Gedanken gelesen. „Er hat es dir gesagt.“
    Zum ersten Mal blickte sie ihn wirklich an. Er sah sehr jung aus, doch wenn sie Gabriels Geschichte glaubte, musste das nichts heißen. Keith’ Haut schimmerte in einem warmen Bronzeton, seine Züge wiesen einen mongolischen Einschlag auf, waren aber zu kantig für einen reinblütigen Asiaten. Er hatte sich den Schädel kahl geschoren wie ein buddhistischer Mönch. Friedfertig wirkte er allerdings nicht.
    „Ich habe ihm mein Blut gegeben“, sagte Keith, als wäre es das Normalste der Welt. „Er hat schon zwei Transformationen hinter sich. Kann sein, dass noch eine dritte kommt. Aber mach dir keine Sorgen. Er kommt schon wieder auf die Beine.“
    „Wäre er nicht besser in einem Krankenhaus aufgehoben?“
    „Kein Arzt“, sagte er brüsk. „Hast du nicht zugehört? Ich habe ihm mein Blut gegeben. Kein Arzt, wenn du willst, dass er am Leben bleibt.“
    Er warf ihre Pistole auf den Couchtisch. „Ruf mich an, wenn er Hilfe braucht.“ Mit ungelenker Schrift schrieb er eine Nummer auf die Rückseite eines Kassenzettels. „Und gib gut auf ihn acht.“ Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Wenn er stirbt, stirbst du auch. Das ist dir hoffentlich klar.“
    Großartig.

13
    D
ie Stille schmerzte in ihren Ohren, nachdem die

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