Engelskraut
für Mail weiter. Ein Frage- und Antwortspiel, bis man sich offenbar getroffen hatte. Danach säuselte Mandragora von großer Liebe und einer gemeinsamen Zukunft. Wohingegen Tomtiger sich ziemlich zurückhielt. Während seine Mails immer spärlicher wurden, fielen die ihren immer drängender aus. Irgendwann musste er ihr den Laufpass gegeben haben.
All das las sich wie ein schlechter Liebesroman, in dem eine vermeintlich betrogene Frau verzweifelt um ihre Liebe kämpfte. Manche Mails hatten durchaus etwas von einer beängstigenden Hartnäckigkeit.
Franca suchte die Texte gezielt nach Telefonnummern und dem Echtnamen von Mandragora ab. Auch wenn die Mails sich ziemlich schwatzhaft anhörten, mit privaten Daten war sie offensichtlich vorsichtig umgegangen.
Francas Augen brannten. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Obwohl es erst kurz nach zehn Uhr war, beschloss sie, ins Bett zu gehen. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Sollte Georgina früher nach Hause gekommen sein? Vielleicht hatte sie ihren Schlüssel vergessen.
Draußen stand Milla.
»Hallo«, sagte sie fröhlich. »Na, wie ist es, hast du eine Flasche Wein kalt gestellt?«
»Hatten wir uns heute verabredet?«, erkundigte sich Franca. Sie war überhaupt nicht erfreut.
»Nicht direkt. Aber ich war grade bei dir in der Nähe und dachte, ich schau mal vorbei. Es interessiert mich eben, wie meine alte Schulfreundin so wohnt. Bis jetzt hast du mir dein Domizil ja vorenthalten.«
»Milla, sei mir bitte nicht böse. Ich bin hundemüde und wollte gerade ins Bett.«
Doch Ludmilla war bereits vor ihr her ins Wohnzimmer gelaufen und sah sich neugierig um. »Nett hast du’s«, tat sie kund. »Deine Tochter ist nicht da?«
Franca schüttelte den Kopf. »Die trifft sich mit ihrem Freund.«
Milla setzte sich unaufgefordert auf die Couch. »Dein neuer Fall?«, fragte sie und wies auf den Papierstapel.
»Entschuldige«, sagte Franca und raffte die Blätter zusammen. »Das ist natürlich nicht für Außenstehende gedacht.«
»Schon gut. Ich habe überhaupt nichts gesehen.« Millas Lachen klang künstlich. Überhaupt wirkte sie aufgekratzt, als habe sie Alkohol getrunken. Oder irgendwas eingeworfen.
»Na, wie ist es? Krieg ich was zu trinken?« Sie sah Franca herausfordernd an.
»Moment.« Franca verstaute den Papierstapel in ihrem Schlafzimmer. Sie fühlte sich überrumpelt und ärgerte sich gleichzeitig, dass sie Milla nicht klar und deutlich in ihre Schranken gewiesen hatte. In der Küche nahm sie eine angebrochene Flasche Weißwein aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus dem Schrank im Wohnzimmer. »Aber bitte nur auf ein Glas. Ich schlafe momentan schlecht und …«
»Du schläfst schlecht?«, fiel ihr Milla ins Wort. »Da hab ich was Hervorragendes für dich. Einen Beruhigungstee. Selbst zusammengestellt. Bei mir wirkt der immer Wunder. Den bring ich dir demnächst vorbei.«
»Kräutertee?«, meinte Franca zweifelnd. »Ich glaube, ich muss mir Schlaftabletten besorgen.«
»Bloß nicht«, warnte Milla. »Schlaftabletten machen süchtig. Ich würde es in jedem Fall erst auf die sanfte Art probieren.«
Franca goss jeder ein Glas ein. Dann stieß sie mit Ludmilla an.
»Auf unsere wiedergefundene Freundschaft!«, Ludmilla nahm einen großen Schluck.
Franca nickte knapp und nippte an ihrem Glas.
Ludmilla stellte ihr Glas ab. Ihr Gesichtsausdruck war ernst geworden. »Ich bin aus einem bestimmten Grund hergekommen«, sagte sie leise. »Ich bräuchte deinen Rat als Polizistin. Aber bei euch im Präsidium ist ja immer so viel los.« Ihre Schultern waren herabgesunken. Ihre gesamte Haltung hatte sich vollkommen geändert.
Solche plötzlichen Stimmungsumschwünge waren Franca schon öfter bei Ludmilla aufgefallen. Sie fand das höchst irritierend.
»Worum geht’s denn?«
»Ich weiß nicht so recht, wie ich es sagen soll.« Sie hob einen Finger an den Mund und begann an dem Nagel zu knabbern. »Ich werde verfolgt. Von einem Stalker.«
»Was?« Franca sah sie ungläubig an.
»Das ist ziemlich unangenehm.« Milla senkte den Kopf.
»Wie äußert sich das?«, fragte Franca vorsichtig.
»Ja, wie äußern sich solche Dinge? Ich kriege Anrufe mitten in der Nacht. Merkwürdige Briefe flattern mir ins Haus. Manchmal habe ich den Eindruck, ich werde auf der Straße verfolgt. Du glaubst nicht, wie schrecklich das ist und wie sehr mir das zusetzt. Das macht mir richtig Angst.« Sie hob den Kopf. Ihr Blick war ein einziger Hilferuf.
»Das kann ich mir
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