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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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andererseits sehnte sie sich nach Ruhe und Schlaf. Langsam dämmerte sie wieder weg.
    »Mama.« Georgina beugte sich über sie. Besorgnis im Gesicht. »Mama? Mama, was ist denn los? Geht’s dir nicht gut?«
    Franca schüttelte den Kopf. Die Bewegung löste eine neue Woge der Übelkeit aus. Sie schnappte nach Luft. Atmete hechelnd. »Was trinken!«, krächzte sie und richtete sich im Bett auf, fasste sich an ihr Herz. Etwas stach wie mit spitzen, bunten Nadeln auf sie ein. Sie versuchte zu schlucken. Die Beklemmung in ihrer Brust erdrückte sie fast.
    Wie spät mochte es sein? Sie hatte keinerlei Zeitgefühl.
    Georgina brachte ein Glas Mineralwasser, das Franca gierig trank. »Papa. Kommst du mal ganz schnell, mit Mama stimmt irgendetwas nicht«, hörte sie ihre Tochter wie durch einen Wattepfropf hindurch sagen. »Sie ist ganz komisch. Sie schwitzt und hechelt und ist weiß im Gesicht … Ja, bitte sofort.«
    Wellen trugen Georginas Stimme fort. Ruhe. Herzklopfen. Schlafen.
     
    Dann stand David bei ihr am Bett. Der Mann, mit dem sie 15 Jahre verheiratet gewesen war. Georginas Vater. Noch immer kamen die heißen Wogen. Ließen den Schweiß aus ihren Poren treten und undeutliche Bilder vor ihren Augen flimmern. Sie hatte inzwischen eine halbe Flasche Mineralwasser getrunken und dennoch überwältigte sie das Gefühl, ihre Kehle sei wie ausgedörrt.
    »Frankie, was ist denn los?«, sagte David weich. Er nannte sie Frankie, wie früher, als sie noch ineinander verliebt waren. Und mit dem gleichen zärtlichen Ton in der Stimme, den sie schon so lange nicht mehr gehört hatte. Sie blinzelte heftig, schluckte, wies auf Teekanne und Tasse auf dem Nachttisch. »Ich habe das da getrunken«, krächzte sie. »Danach wurde mir übel.«
    David hob den Kannendeckel hoch, roch an der Flüssigkeit. »Wo sind die Teeblätter?«, fragte er.
    Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er von ihr wollte. »In der Küche«, antwortete sie schwach. »Im Abfall.«
    Dann war David verschwunden. Plötzlich war er wieder da. »Du musst sofort ins Krankenhaus«, befahl er mit seiner autoritären Doktorstimme.
    »Was? Aber wieso?«
    »Ich komme mit. Alles wird gut«, sagte er sanft und strich ihr über den Arm. Eine weitere vertraute, liebevolle Geste, die Franca die Tränen in die Augen steigen ließ. »Wir sollten keine Zeit verlieren«, drängte er.
    »Papa, kann ich auch mit?« Georginas piepsiges Stimmchen verriet deutlich ihre Angst.
    »Klar, mein Kleines«, beruhigte er sie. »Aber du musst dir keine Sorgen machen.« Es klang einfühlsam und zärtlich.
    David konnte so ein netter Mann sein. Franca dachte mit Wehmut daran, dass sie diesen Mann einmal sehr geliebt hatte und dass diese Liebe irgendwann aufgehört hatte.
    Der Rettungswagen traf ein. Franca wurde auf eine Trage gehievt und in das Auto geschoben. Der Wagen fuhr an, es schepperte und rüttelte. Auf dem Weg zum Krankenhaus hielt David ihre Hand und betupfte ihre Stirn, auf der sich immer wieder Schweißtröpfchen sammelten. Er kümmerte sich um sie. Er war da. Sie fühlte sich aufgehoben.
    Wenig später lag sie in einem Krankenhausbett.
    »Den Symptomen nach hast du eine Atropinvergiftung«, hörte sie Davids Stimme an ihrem Ohr. »Wir spritzen dir jetzt ein Gegengift und dann geht es dir bald wieder besser.« Er nahm ihren Arm, sie spürte, wie etwas kühl darüberwischte, bevor er die Nadel ansetzte. »Ein Glück, dass Georgina so schnell reagiert hat.«
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie schwach.
    Es hatte so gutgetan, die Besorgnis auf seinem Gesicht zu sehen. Sie war ihm offenbar nicht ganz gleichgültig geworden.
    »Wo hast du dieses Zeug her?«, fragte David in scharfem Ton, der alles zuvor gefühlte Zarte wieder zunichte machte. »Hast du das irgendwo gekauft? Mann, das hätte schiefgehen können.«
    »Ich hab es von einer Freundin«, stotterte sie. Wie sollte sie David erklären, wer Milla war?
    »Schöne Freundin«, schnaubte er. »Der würde ich mal gehörig die Leviten lesen.«
    Milla. Der Tee. Millas Traumtee. Was war da drin gewesen? David war weg. Sie lag allein in einem Krankenzimmer.
    Ihre Gedanken fuhren Karussell. Eine dünne, böse Ahnung drückte auf ihr Herz, eine Schlinge legte sich um ihre Kehle. Atropinvergiftung, hatte David gesagt. Verursacht durch halluzinogene Drogen.
    Das konnte nicht sein. Alles in ihr wehrte sich zu glauben, was ihr Verstand längst wusste. Wie Stückchen aus einem Kaleidoskop setzten sich immer wieder aufs Neue

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