Engelskuss und Weihnachtstraum - eine Liebesgeschichte in 24 Kapiteln
Prinzessinnen-Köfferchen hinter sich her ziehend, auf den StraÃen umher irren. Durch und durch nass, frierend, hustend und niesend. »Leonie!«, rief ich in die Dunkelheit und hielt den Atem an.
Nichts tat sich.
Keine kleine Schwester antwortete, nur das Krächzen eines Rabens drang an mein Ohr.
»Leonie!«, rief ich wieder und wieder, bis ich einsah, dass sie wirklich nicht ums Haus herumstrich.
Die Angst um meine Schwester wurde übermächtig. Mirja, tu was, befahl ich mir. Und da, in genau diesem Augenblick, erinnerte ich mich, dass sie gestern Abend im Bett etwas über unseren Vater sagte. Oje.
Unser Pa war jetzt mit seiner Yvonne zusammen â mit der Frau, die uns hasste. Die nichts von uns wissen wollte. Die alles unternahm, dass wir unseren Pa nicht besuchten.
War Leonie so verzweifelt, dass sie statt zu Sophie zu unserem Pa gefahren war? Wenn ja â warum? Was hatte sie vor? Petzte sie, dass sich unsere Ma mit ihrem Lover ein schönes Wochenende gönnte? Das hätte sie mir doch sagen können, wütete ich und schrak zusammen, weil das Telefon klingelte.
Mein erster Gedanke war: Leonie ruft an!
Ich raste ins Wohnzimmer, hob ab und rief: »Ja, hallo?!«
Es war meine Mutter. »Ist bei euch alles in Ordnung?«
Weià der Teufel, weshalb ich meine Mutter anlog. »Klar ist alles in Ordnung. Wir haben Kakao gekocht, sitzen auf dem Sofa und sehen fern.«
»Na dann â¦Â« Ich hörte ganz deutlich die Erleichterung in der Stimme meiner Mutter. »Geht nicht zu spät ins Bett, Leonie.«
»Bestimmt! Du, der Film ist superspannend. Ich leg auf. Okay?«
Puh, das war knapp gewesen ⦠Mit zitternden Fingern legte ich den Hörer auf, rannte zurück in den Flur, griff mir den Anorak, wickelte den Schal um den Hals, stopfte meine langen Haare unter die Mütze, schnappte mir die Handschuhe und im allerletzten Augenblick die Hausschlüssel und knallte die Tür hinter mir zu.
Ich musste meine Schwester suchen, und da um diese Zeit kein Bus mehr fuhr, blieb mir nur das Rad.
Das bei diesem verdammten Sauwetter!
Der Regen, vermischt mit dicken nassen Schneeflocken, klatschte mir ins Gesicht. Ich achtete nicht darauf, gondelte los und wäre beinahe an der ersten Kurve im Graben gelandet.
Trotz der Kälte kam ich ins Schwitzen, aber ich hielt durch, bis ich schlieÃlich vor dem Haus ankam, in dem unser Pa mit der Megatussi Yvonne lebte.
7. Dezember
A ls ich am Samstag aufwachte, hörte ich, wie auf der StraÃe ein, zwei Autos vorbeifuhren, dann hörte ich den Motor eines Lasters und das Piepsen eines Vogels, und durchs Fenster neben meinem Bett sah ich, dass es drauÃen schon ein bisschen hell war.
Dann merkte ich, dass meine kleine Schwester komplett angezogen neben mir lag, und alles fiel mir wieder ein: der furchtbare Freitagnachmittag, so ganz allein in unserem Häuschen. Der Schreck, als ich erfuhr, dass mich Leonie angelogen hatte und ich nicht wusste, wo sie war. Dann, sehr viel später, der Anruf meiner Mutter und MEINE Lüge, alles sei in Ordnung ⦠Und dass ich schlieÃlich trotz Eis und Schnee mit dem Rad in die Stadt und zu dem Haus gefahren war, in dem jetzt unser Pa mit der Megatussi Yvonne lebte. Da hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen, geklingelt â und erfahren, dass LEONIE NICHT BEI UNSEREM PA WAR !
Obwohl ich vor Angst um meine kleine Schwester direkt zitterte, sah ich doch, dass in der Küche und im Wohnzimmer ungespültes Geschirr herumstand. Ãberhaupt sah es ungemütlich aus, so mit den Kleidungsstücken auf dem FuÃboden, den verwelkten Blumen in blöden Vasen, und eklig roch es auch noch.
»Wo ist eure Mutter?«, fragte mein Pa, nachdem er den ersten Schock überwunden hatte.
Als er noch bei uns war, hatte es in unserer Wohnung nie so schrecklich ausgesehen wie da, wo er jetzt wohnte. Es tat mir aber überhaupt nicht leid, dass er jetzt in einem solchen Saustall leben musste â im Gegenteil. Das geschah ihm recht; weshalb hatte er sich auch in die Megatussi verliebt? So cool wie nur was sagte ich: »Sie verbringt ein schönes Wochenende mit ihrem Lover. Was dagegen?«
Ich bin dreizehn Jahre alt und weià nicht, wie ein Mensch aussieht, wenn ihn der Schlag trifft. Aber ich vermute mal, dass er weià im Gesicht wird, nach Luft schnappt und ganz starre Augen bekommt â jedenfalls hat so mein Paps ausgesehen. »Sie ⦠sie hat
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