Engelslicht
notwendig sein würde, um Luzifer aufzuhalten. Das war es, was Cam gemeint hatte, was sie tun müsse. Das war der Grund, warum Daniel sie nicht ansehen wollte. Ihre Kehle fühlte sich an, als sei sie mit Baumwolle ausgestopft. Als sie den Mund öffnete, klang ihre Stimme, als spreche sie unter Wasser. »Ihr braucht« – sie schluckte gequält – »mein Blut.«
Dee verschluckte sich fast vor Lachen und legte Luce eine kalte Hand auf die heiße Wange. »Gütiger Himmel, nein, Kind! Du behältst dein Blut. Ich werde euch meines geben.«
»Was?«
»Ganz recht. Während ich diese Welt verlasse, wirst du die silberne Feder mit meinem Blut füllen. Du wirst es in diese Vertiefung östlich der Markierung des goldenen Pfeils gießen« – sie deutete auf eine Kerbe links neben dem Kelch, dann breitete sie dramatisch die Hände aus, um auf die Karte zu zeigen – »und beobachten, wie es durch die Rillen hier und da und dort fließt, bis du den Stern findest. Dann wirst du wissen, wo du Luzifer begegnen und seinen Plan vereiteln kannst.«
Luce ließ die Knöchel knacken. Wie konnte Dee so beiläufig über ihren eigenen Tod sprechen? »Warum solltest du das tun?«
»Nun, dafür wurde ich gezeugt. Engel wurden zur Anbetung geschaffen, und auch ich habe eine Aufgabe.« Dann zog Dee aus einer tiefen Tasche ihres braunen Umhangs einen langen silbernen Dolch.
»Aber das ist …«
Der Dolch, den Miss Sophia benutzt hatte, um Penn zu töten. Der, den sie in Jerusalem gehabt hatte, als sie die gefallenen Engel gefesselt hatte.
»Ja. Den habe ich in Golgotha mitgenommen«, erklärte Dee und bewunderte die kunstvoll gefertigte Klinge. Sie glänzte, als sei sie frisch geschärft worden. »Dieser Dolch hat eine dunkle Geschichte. Es wird Zeit, dass er einer guten Verwendung zugeführt wird, Liebes.« Sie streckte die Waffe aus, die Klinge flach auf ihrer offenen Hand, während der Griff auf Luce zeigte. »Es würde mir viel bedeuten, wenn du diejenige wärst, die mein Blut vergießt, Liebes. Nicht nur, weil du mir lieb bist, sondern auch, weil du es sein musst.«
»Ich?«
»Ja, du. Du musst mich töten, Lucinda.«
Fünfzehn
Das Geschenk
»Ich kann nicht!«
»Du kannst«, sagte Dee. »Und du wirst. Niemand sonst kann es tun.«
»Warum?«
Dee schaute über ihre Schulter in Daniels Richtung. Der blickte immer noch Luce an, aber er schien sie nicht zu sehen. Keiner der Engel erhob sich, um ihr zu helfen.
Dee sprach im Flüsterton. »Wenn du, wie du behauptest, fest entschlossen bist, deinen Fluch zu brechen …«
»Sie wissen, dass ich das bin.«
»Dann musst du mein Blut benutzen, um ihn zu brechen.«
Nein. Wie konnte ihr Fluch an das Blut von jemand anderem gebunden sein? Dee hatte sie hierher zum Qayom Malak gebracht, um den Ort des Engelsturzes zu offenbaren. Das war ihre Rolle als Desideratum. Es hatte nichts mit Luce’ Fluch zu tun.
Oder doch?
Brich den Fluch. Natürlich wollte Luce es, es war alles, was sie wollte.
Konnte sie ihn brechen, hier und jetzt? Wie würde sie mit sich selbst leben, wenn sie Dee getötet hätte? Luce sah die alte Frau an, die sie an den Händen nahm.
»Möchtest du nicht die Wahrheit über dein ursprüngliches Leben erfahren?«
»Natürlich will ich das. Aber warum sollte es meine Vergangenheit enthüllen, wenn ich dich töte?«
»Es wird alles Mögliche offenbaren.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Oje.« Dee seufzte und schaute an Luce vorbei zu den anderen hinüber. »Diese Engel haben gute Arbeit geleistet, dich zu beschützen – aber sie haben dich auch durch ihren Schutz selbstgefällig werden lassen. Die Zeit ist für dich gekommen, zu erwachen, Lucinda, und um zu erwachen, musst du handeln.«
Luce wandte sich ab. Der Ausdruck in Dees goldenen Augen war zu flehentlich, zu intensiv. »Ich habe genug Tod gesehen.«
Ein Engel erhob sich in der Dunkelheit aus dem Kreis, den sie um den Qayom Malak gebildet hatten. »Wenn sie es nicht tun kann, dann kann sie es eben nicht tun.«
»Halt die Klappe, Cam«, sagte Arriane. »Setz dich hin.«
Cam trat vor, auf Luce zu. Er warf einen Schatten über die Marmorplatte. »Wir sind so weit gekommen. Man kann nicht sagen, wir hätten nicht alles versucht.« Er drehte sich zu den anderen um. »Aber vielleicht kann sie es einfach nicht. Es gibt Grenzen, was man von einem Menschen verlangen kann. Sie wäre nicht das erste Fohlen, mit dem jemand ein Vermögen verloren hätte. Also, was ist, wenn sie zufällig das letzte wäre?«
Sein
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