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Engelslicht

Engelslicht

Titel: Engelslicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Verkünder, ein Portal, durch das man geht, um an einen anderen Ort und in eine andere Zeit zu gelangen.
    Sie mühte sich weiter vorwärts und würgte wegen des Rauchs. Der Boden war mit etwas Spitzem übersät, das sie nicht erkannte, bis sie stolperte und fiel und den Schmerz von Glasscherben in den Händen spürte, die Daniel gerade erst losgelassen hatte.
    Halt dich da nicht auf , hatte er zu ihr gesagt. Geh weiter, bis du ihn findest.
    Sie holte tief Luft, richtete sich auf und machte sich bewusst, was sie war. Sie breitete die Flügel aus und der Verkünder wurde von Licht überflutet. Jetzt konnte Luce sehen, wie schrecklich er war – jede schwelende Oberfläche war bedeckt von aufragenden Glasscherben in verschiedenen Farben, halbmenschlichen Gestalten, die tot oder sterbend in klebrigen Pfützen auf dem Boden lagen und, dies war das Schlimmste, einem überwältigenden Gefühl von Verlust.
    Luce sah auf ihre blutenden Hände hinab, aus denen bösartige, kleine braune Glassplitter ragten. In einem Moment waren sie verheilt. Sie biss die Zähne zusammen und flog durch die innere Wand des Verkünders hindurch, tief in den Bauch von Luzifers gestohlenen Sturz hinein.
    Er war riesig. Das war das eine. Riesig genug, um sein eigenes Universum zu sein, und gespenstisch still. Der Sturz war so hell vom Licht der fallenden Engel, dass Luce kaum etwas sehen konnte. Irgendwie konnte sie sie spüren – überall um sie herum, ihre Schwestern und ihre Brüder, mehr als hundert Millionen der himmlischen Heerschar, die den Himmel schmückten wie Gemälde. Sie hingen in der Schwebe, erstarrt in Zeit und Raum, jeder begraben in einer anderen Kugel aus Licht.
    So war auch sie gestürzt. Sie erinnerte sich jetzt schmerzhaft daran. Jene neun Tage hatten neunhundert Ewigkeiten enthalten. Und doch sah Luce nun, dass die Engel, still wie sie waren, sich ständig veränderten. Ihre Gestalten nahmen eine seltsame, unfertige Durchsichtigkeit an. Hier und da blitzte Licht von der Unterseite eines Flügelpaars hervor. Ein Arm wurde flackernd sichtbar, dann wurde er wieder undeutlich. Das war es, was Daniel gemeint hatte, als er von der Verlagerung sprach, die während des Sturzes auftrat – Seelen, die sich von der Art, wie sie im himmlischen Reich gewesen waren, zu der Art veränderten, die sie im irdischen Reich sein würden.
    Die Engel streiften ihre engelhafte Reinheit ab, traten in die Inkarnationen ein, die sie auf Erden sein würden.
    Luce flog auf den nächsten Engel zu. Sie erkannte ihn: Tzadkiel, der Engel der göttlichen Gerechtigkeit, ihr Bruder und ihr Freund. Sie hatte seine Seele seit Ewigkeiten nicht gesehen. Er sah sie auch jetzt nicht, und selbst wenn er sie gesehen hätte, er hätte nicht reagieren können,.
    Das Licht in Tzadkiel flackerte und ließ sein Wesen schimmern wie ein Juwel in schlammigem Wasser. Es floss zu einem verschwommenen Gesicht zusammen, das Luce nicht kannte. Es sah grotesk aus – grob geformte Augen, halbfertige Lippen. Es war nicht er, aber sobald die Engel auf dem gnadenlosen Boden der Erde auftreffen würden, würde er es sein.
    Je weiter sie in das schwebende Meer der Seelen hineinwatete, umso schwerer fühlte sie sich. Luce erkannte sie alle – Saraquel, Alat, Muriel, Chayo. Entsetzt wurde ihr klar, dass sie, wenn ihre Flügel ihnen nahe genug kamen, die Gedanken eines jeden stürzenden Engels hören konnte.
    Wer wird sich um uns kümmern? Wen werden wir verehren?
    Ich kann meine Flügel nicht spüren.
    Ich vermisse meine Obstgärten. Wird es in der Hölle Obstgärten geben?
    Es tut mir leid. Es tut mir so leid.
    Es war zu schmerzhaft, länger als einen einzelnen Gedanken neben einem der Engel zu bleiben. Luce drängte weiter, richtungslos, überwältigt, bis ein leuchtendes, vertrautes Licht sie anzog.
    Gabbe.
    Selbst im ungeformten Zustand des Übergangs war Gabbe schön. Ihre weißen Flügel schlossen sich wie Rosenblätter um ihre schärfer werdenden Züge, ihre langen, dunklen Wimpern ließen sie friedlich und ruhig aussehen.
    Luce drückte sich gegen Gabbes silberne Lichtkugel. Für einen Moment dachte sie, dass Luzifers Sturz vielleicht eine gute Seite hatte: Gabbe würde zurückkehren.
    Dann flackerte das Licht in Gabbe und Luce hörte den fallenden Engel denken.
    Geh weiter, Lucinda. Bitte, geh weiter. Träume, was du bereits weißt.
    Luce dachte an Daniel, der auf der anderen Seite wartete. Sie dachte an Lu Xin, das Mädchen, das sie im alten China der Shang-Dynastie gewesen

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