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Engelslied

Engelslied

Titel: Engelslied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nalini Singh
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sie ihn verließ, um die anderen zu besuchen, die sie nach und nach auf einer sehr persönlichen Ebene kennenlernte. Es war hart, mit ansehen zu müssen, wie die Leute litten, die jetzt zu ihr gehörten. Aber wenn diese Leute solch unvorstellbare Schmerzen zu ertragen in der Lage waren, dann schaffte es Elena auch, ihnen auf diesem Weg beizustehen.
    Nach dem Gespräch mit dem letzten nicht im Koma liegenden Engel stand ein informeller Besuch bei einer der aktiven Schwadronen an, und dann sah Elena auf ihrem Handy nach, ob ihre Schwester Beth den vereinbarten Termin abgesagt hatte. Nein, hatte sie nicht, jetzt gab es also kein Zurück mehr. Sie holte tief Luft, ließ sich vom Turm fallen und flog zu einem Lagerhaus in Brooklyn. Dort war sie schon seit Wochen nicht mehr gewesen, wie denn auch, bei allem, was in der Stadt vorging … Obwohl – wenn sie ehrlich sein wollte, hatten die Ereignisse in der Stadt nichts mit ihrem Verhältnis zu diesem Lagerhaus zu tun, denn sie hatte einen bestimmten Raum dort auch schon vor dem Sturz gemieden.
    Als sie jetzt landete, verstand sie nicht mehr richtig, was sie so lange hatte zögern lassen. Dabei hatte sie sich so gefreut, als sie erfuhr, dass Jeffrey doch nicht alle Besitztümer ihrer Mutter auf den Müll geworfen hatte. Auch hätte sie nicht genau sagen können, warum die Sachen immer noch hier lagerten, obwohl es bei ihr zu Hause doch wirklich genug Platz dafür gab. Sie hatte ja noch nicht einmal den kostbaren, von ihrer Mutter mit der Hand genähten Quilt mitgenommen.
    »Ellie?«
    Als Elena sich zu dem zaghaften Stimmchen umdrehte, stand vor ihr eine süße, sanft gerundete Schönheit mit erdbeerblondem Haar und türkisen Augen in einem kirschroten, an der Taille von einem schmalen Gürtel zusammengehaltenen und gerafften Mantel. Dazu Stiefel, die bis zum Knie reichten und perfekt zu dem schief sitzenden Mützchen auf dem frei fliegenden Haar passten, und als Krönung des Ganzen eine handgemachte Stoffrose, die sich die Schöne oben ans Revers geheftet hatte.
    Ihre jüngere Schwester hatte sich schon als kleines Kind immer gern hübsch gemacht und es genossen, wenn Belle sie wie eine lebende Puppe behandelt und mit Spitzen und Schleifen geschmückt vor dem Rest der Familie Modenschau hatte spielen lassen. Eine Erinnerung ohne Blut und Tränen, ohne Tod. Eine schöne Erinnerung. Elena musste lächeln. »Du nennst mich Ellie? Lass das bloß Jeffrey nicht hören. Ich heiße Elieanora.«
    Beth streckte ihr die Zunge heraus, aber dann war der Augenblick auch schon vorbei, und Elenas Schwester blickte mit ernster Miene zur Tür des Lagerraums hinüber. »Mamas Sachen sind wirklich da drin?«
    »Ja.« Jeffrey hatte alles Elena überschrieben.
    Woraus Elena ihrem Vater keinen Vorwurf machte, schließlich war Beth noch so jung gewesen, als Marguerite starb. Die Sachen hier im Lagerhaus dürften für sie wenig Bedeutung haben. Aber Elena kannte die Geschichte von jedem geliebten Gegenstand, und diese Geschichten waren auch Teil von Beths Vermächtnis.
    »Hey!« Als Elena Tränen in den Augen ihrer Schwester entdeckte, umfing sie ihr Gesicht mit beiden Händen. »Wir müssen das nicht tun, wenn es dich so traurig macht, Bethie.«
    »Nein, ich will es ja tun.« Über Elenas Hände rannen heiße Tränen. »Ich will mich ja erinnern, damit ich es dem Baby erzählen kann.«
    Elena erstarrte mehrere Sekunden lang. »Und – Harrison?«, erkundigte sie sich schließlich.
    Beth nickte beschämt. »Ich weiß, ich habe ihn vor die Tür gesetzt, und damit war es mir auch ganz ernst. Trotzdem liebe ich ihn, Ellie.« Jetzt schienen die Tränen gar nicht mehr versiegen zu wollen. »Ich liebe ihn immer noch – obwohl er sich erschaffen ließ, ohne abzuwarten, ob das auch für mich infrage kommt.« Schluchzend wrang sie die Hände. »Ich glaube, ihm tut inzwischen leid, was er getan hat. Jetzt, da er kapiert hat, dass er mich eines Tages begraben muss. Und unser Baby auch.«
    Harrison liebte die Unsterblichkeit mehr als seine Beth, der er vielleicht ja wirklich von Herzen zugetan war. Egal: Elena konnte ihren Schwager nicht leiden. Er hatte sich wirklich erschaffen lassen, ohne vorher abzuwarten, bis die Tests für seine Frau abgeschlossen waren, die letztendlich gezeigt hatten, dass Beth nicht als Kandidatin infrage kam. Sie würde auf schreckliche Weise sterben, wenn sie versuchte, Vampirin zu werden. Elena wünschte, sie könnte das ändern, aber es war nicht möglich, denn hier ging es um

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