Engelslieder
Nacht mit ihm.
Doch je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, je intimer sie würden, umso größer und heftiger wäre der Schmerz, wenn er sie dann verließe.
Und das würde er.
Außer ihrem Dad hatten alle Menschen, die sie je geliebt hatte, sie irgendwann verlassen. Ihre Familie bestand nur noch aus ihrem Vater, einer alternden Tante und zwei Cousins, die außerhalb des Staates lebten. Ihre Mutter war gestorben; auch ihre Großeltern – sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits – waren tot.
In den vergangenen Jahren hatten alle Männer, mit denen sie sich eingelassen hatte, sie sitzen gelassen. Nicht einer hatte sie geliebt. Selbst Steven nicht, der unbedingt eine Frau und Kinder gewollt hatte. Jetzt verstand sie, dass sie nie eine eigene Familie gründen würde. Zwar hatte sie sich früher mehr als alles andere auf der Welt einen Ehemann und Kinder gewünscht, doch diese Zeit war vorbei. Sie wollte nicht als geschiedene, alleinerziehende Mutter enden oder mit einem Mann verheiratet sein, der – wie ihr Vater – jedem Rock hinterherjagte.
Sie hatte einfach nicht das, was eine Frau brauchte, um einen Mann zu halten. Und schon gar nicht so einen wie Ben.
Während sie duschte, dachte sie über ihn nach. Sie hörte ihn, wie er in der Küche hantierte und die Bohnen für den Kaffee mahlte.
Sobald das alles vorbei wäre, würde sie Ben McKenzie und allen Problemen, die er verursachte, Adieu sagen.
Sobald das alles vorbei wäre.
Lieber Gott, wie lange würde das noch dauern?
17. KAPITEL
D as Wetter blieb das gesamte Wochenende über schön. Am Sonntag fuhr Ben mit seinem Pick-up raus nach Issaquah, um Katie zu ihrem gemeinsamen Tag abzuholen. In seiner Jackentasche steckte eine Kopie des Phantombildes, das den blonden Mann zeigte, wie er vor sechs Jahren bei Mollys Entführung ausgesehen hatte. Joanne die Zeichnung zu zeigen war eigentlich das Letzte, was er tun wollte, aber er konnte es nicht länger aufschieben.
Der Zeitpunkt der Entscheidung war gekommen: Entweder er glaubte an Autumn und ihre Träume oder nicht. Wenn er ihr glaubte, musste er auch daran glauben, dass Molly noch lebte. Und wenn das so war, musste er alles Menschenmögliche tun, um sie zu finden.
Das bedeutete leider auch, dass er Joanne fragen musste, ob sie diesen Mann am Tag von Mollys Verschwinden oder zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort vielleicht gesehen hatte. Er würde ihr eine Erklärung liefern, die sie so wenig wie möglich beunruhigte. Aber er musste es wissen.
Er stellte den Wagen am Straßenrand ab und ging den Weg zu dem exklusiven Haus hinauf, das er nur sechs Monate lang mit Joanne geteilt hatte, bevor sie übereingekommen waren, sich scheiden zu lassen. Sie hatten einfach nicht so weitermachen und einander immerfort verletzen können.
Glücklicherweise hatten sich die Wogen in den darauffolgenden Jahren geglättet, sodass sie auf eine gewisse Weise Freunde geworden waren. Sie respektierten einander und waren fest entschlossen, dass Katie nicht unter ihrer gescheiterten Ehe leiden sollte.
Ben klopfte an einen Flügel der mit Schnitzereien verzierten Doppeltür und wartete, bis seine Exfrau ihm öffnete.
“Du bist früh dran”, begrüßte sie ihn und trat einen Schritt zurück, um ihn in den gefliesten Flur zu lassen. Das Haus war geräumig und hübsch eingerichtet. Ben wollte, dass sie nur das Beste hatten. “Katie ist noch nicht ganz fertig. Ich sage ihr, dass du da bist.”
“Ich bin etwas früher gekommen, um noch einen Moment mit dir unter vier Augen zu sprechen.”
Bei seinem ernsten Gesichtsausdruck wich Joanne noch einen Schritt zurück. “In Ordnung. Lass uns in die Küche gehen.” Mit ihren fünfunddreißig Jahren war sie eine schöne Frau mit honigblondem, schulterlangem Haar und tiefblauen Augen.
Seit einigen Monaten führte sie eine ernsthafte Beziehung mit einem Mann, der für ihren Vater im Banksektor arbeitete. John Cleveland sah gut aus und war klug. Doch das Beste war, dass er sich aufopferungsvoll um Joanne und Katie kümmerte. Der Gedanke, dass er seinem kleinen Mädchen ein zweiter Vater werden könnte, machte Ben zwar ein wenig zu schaffen, aber die Freude für seine Exfrau und sein Kind überwog. Er war dankbar, dass Joanne offenbar eine gute Wahl getroffen hatte.
In der großen weißen, hochmodernen Küche setzten sie sich an den Frühstückstisch.
“Möchtest du eine Tasse Kaffee oder irgendetwas anderes?”, fragte Joanne.
“Nein danke. Worüber ich mit dir
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