Engelslust
konnte die Unterwelt schon lange nicht mehr verlassen. Sie war eine Gefangene ihrer eigenen Welt. Das durfte nur nie jemand erfahren. Besonders keine Dämonen durften bemerken, wie handlungsunfähig und schwach sie geworden war, seit Fermion, dieser verdammte Elf, sie mit einem Fluch belegt hatte, der es ihr zwar ermöglichte, Portale zu erschaffen, aber sie daran hinderte, hindurchzugehen. Falls sie das versuchte, wurde sie von einer gigantischen Energiewelle zurückgeschleudert. Bis heute hatte Xira nicht herausgefunden, wie Fermion das angestellt hatte, sonst hätte sie sich diesen verdammten Kelch längst geschnappt! Selbst unter Folter und jahrelanger Dunkelheit hatte der Elf nicht klein beigegeben.
Xira hatte sich nicht einmal getraut, ihn zu töten, weil sie nicht wusste, ob der Fluch sonst tatsächlich auf ewig an ihr haftete, wie Fermion ihr erklärt hatte. Und jetzt war dieser verdammte Elf bestimmt wieder in Gwandoria, wo Xira oder ein anderer Dämon nicht an ihn herankamen. Verfluchter Mist! Was hatte sie sich nur dabei gedacht, mit diesem Gnom ein Kind zu zeugen! Sie hatte sich das alles ganz anders vorgestellt, wollte einen Superdämon gebären, der nach ihrer Pfeife tanzte …
Es machte sie schier wahnsinnig, dass Leraja zu blöd war, sich den Kelch zu schnappen und sie auch noch hintergangen hatte. Es war eine lächerliche Idee gewesen, ihre Tochter eines Tages zur Nachfolgerin zu ernennen, zur Herrscherin der Unterwelt. Nicht, dass Xira aufrichtig mit dem Gedanken gespielt hatte.
Da war ihr Liebessklave zu mehr zu gebrauchen. Daher hatte sie Shah kurzerhand zu ihrem Spion ernannt, nachdem Leraja sie derart bitter enttäuscht hatte. Als ihre Mutter fühlte sie, wo sie sich aufhielt, und konnte ein Portal erschaffen, das Shah direkt zu ihr brachte. Xira hatte Leraja jahrelang manipuliert, damit das Halbblut nach ihrer Pfeife tanzte. Jetzt hätte sie in ihrem Namen den Kelch an sich nehmen sollen, aber diese war zu nichts zu gebrauchen. Eigentlich hätte Xira es besser wissen müssen. Leraja war schon als Kind sehr merkwürdig gewesen, hatte sich nicht wie eine typische Dämonin verhalten und war viel zu oft an der Oberfläche gewesen.
Nun legte Xira Lerajas Leben in Shahs Hände, sie war nicht länger ihre Tochter. Er konnte mit ihr verfahren, wie er wollte. Gerade jetzt würde sich ihm eine fantastische Gelegenheit bieten, sie zu töten …
***
Leraja konnte nicht fassen, was geschehen war. Cain, dieser Mistkerl, hatte sie doch tatsächlich hintergangen! Jetzt lag sie hier gefesselt und verpasste dadurch die Abschlussparty!
Schnaubend schaute sie zum Fenster hinaus, durch das sie den tiefroten Mond am Nachthimmel sehen konnte. Der Blutmond … I m Gegensatz zu einer Sonnenfinsternis war eine Mondfinsternis über einen Zeitraum von einer Stunde und etwa vierzig Minuten von jedem Ort der Erde aus zu beobachten, solange es dort Nacht war.
Cain war bestimmt schon in England, um sich den Kelch zu schnappen. Leraja hatte ihm vertraut und er sie reingelegt. Das tat verdammt weh! Auch ihre Handgelenke schmerzten, weil sich das dünne Seil immer mehr zuzog, je heftiger sie sich wehrte. Sie versuchte schon seit Ewigkeiten – so kam es ihr vor – mit der Zunge das Tuch aus dem Mund zu schieben und ihre elbischen Kräfte zu mobilisieren, aber bisher hatte sie es nur geschafft, durch Gedankenkraft eine Maus herbeizulocken, die aber nicht annähernd daran dachte, auf das Bett zu klettern und ihre Seile durchzuknabbern. Cain hatte diesen Ort also nicht ausgewählt, weil er ihn als das perfekte Liebesnest gesehen hatte. Hier gab es nichts, was ihr zu Hilfe gereichen konnte.
Mittlerweile war durch ihr Gestrampel die Zudecke vom Bett gerutscht, aber das war ihr egal, sie fror ja nicht und sehen konnte sie auch niem... Shah!
Leraja keuchte erstickt auf und erstarrte, als der Diener ihrer Mutter plötzlich neben ihrem Bett stand. Verächtlich schaute er zu ihr herab und grinste herablassend. Er trug nur eine schwarze Wildlederhose am Leib, und das lange Haar fiel ihm offen über die Schultern.
Woher konnte Shah wissen, wo sie steckte, wie hatte er zu ihr gefunden? Und was wollte er von ihr?
Obwohl es im Zimmer fast ganz dunkel war, sah Leraja den Dolch in seinen Händen.
Mutter … Leraja schluckte trocken. Xira hatte also ihren Verrat bemerkt und einen Lakai geschickt, um die Drecksarbeit zu erledigen.
Lerajas Herz raste. So hatte sie sich ihren Tod nicht vorgestellt. Sie wollte lieber in einem fairen
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