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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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Hand aus und rieb daran mit sachten, kreisenden Bewegungen, bis er sich allmählich ablöste wie alte Farbe von einer Wand. Und von jedem dieser Fetzen strahlte die Hitze trockener Wüstenluft ab, sodass die feuchte, kühle Luft, die Luce umgab, sich nach und nach erwärmte. Als der Schattenschirm des Verkünders schließlich ganz in Stücke fiel, begriff sie auf einmal, worauf sie schon die ganze Zeit geblickt hatten: den Las Vegas Strip. Luce kannte davon bisher nur Abbildungen, aber jetzt hatte sie in der Ferne die Eiffelturmspitze des Paris Las Vegas Hotels auf Augenhöhe vor sich.
    Was bedeutete, dass sie sich in einer ziemlichen Höhe befinden mussten. Sie wagte es, nach unten zu blicken: Sie standen im Freien, irgendwo auf einem Dach, höchstens einen halben Meter von der Kante entfernt. Unter ihnen der laute Verkehr von Las Vegas, Palmen, ein raffiniert ausgeleuchteter Swimmingpool. Mindestens dreißig Stockwerke lagen dazwischen.
    Shelby ließ Luces Hand los und fing an, das braun gestrichene Flachdach abzuschreiten. Es handelte sich um drei lange, rechteckige Gebäudeflügel, die von einem Mittelpunkt abgingen. Luce drehte sich einmal im Kreis und nahm in einem Rundumpanorama die Neonlichter der Stadt, den Las Vegas Strip und dahinter die kargen Berge in sich auf, die von der Lichtglocke über der Stadt unwirklich erleuchtet waren.
    »Wahnsinn, Miles«, rief Shelby, während sie auf ihrem Erkundungsgang über Dachfenster hüpfte. »Dieses Durchschreiten war ja echt super. Irgendwie finde ich auf einmal fast, dass du ein toller Typ bist. Fast.«
    Miles stand mit den Händen in den Hosentaschen da. »Ähm … danke.«
    »Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte Luce. Zwischen ihrem Versuch, sich allein in den Verkünder zu stürzen, und diesem gemeinsamen Ausflug hier war ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Das hier war ganz geordnet vor sich gegangen. Keiner hatte das Gefühl gehabt, sich gleich übergeben zu müssen. Und es hatte auch richtig prima funktioniert. Zumindest hatte sie den Eindruck, dass es prima funktioniert hatte. »Was ist eigentlich mit der Spielhölle passiert? Hätten wir nicht da rauskommen müssen?«
    »Die hab ich weggezoomt«, sagte Miles. »Ich dachte, sieht vielleicht ziemlich seltsam aus, wenn wir mitten in einem Casino aus einer Wolke treten.«
    »Ein bisschen seltsam schon«, meinte Shelby. »Irgendeine Idee, wie wir von hier runterkommen sollen?« Sie rüttelte an einer verschlossenen Tür.
    Luce erstarrte. Vom Verkünder waren nur noch auf dem Boden verstreute, zitternde Einzelteilchen übrig. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er ihnen jetzt noch weiterhelfen konnte. Kein Ausweg – weder von diesem Dach runter noch zurück nach Shoreline.
    »Kein Problem! Ich weiß eine geniale Lösung«, rief Shelby von der anderen Seite des Dachs. Sie beugte sich über eines der Dachfenster und schien mit irgendetwas herumzuhantieren. Auf einmal war ihr Kopf verschwunden. Luce konnte nur noch Shelbys Arm sehen, den sie hochreckte, um Miles und sie zu sich zu winken.
    Vorsichtig spähte Luce durch das geöffnete Fenster in einen großen, luxuriös ausgestatteten Toilettenraum. Auf der einen Seite waren vier Kabinen zu erkennen, auf der anderen Marmorwaschtische und ein breiter Spiegel mit prächtigem Goldrahmen. Auf einem fliederfarbenen Plüschsessel vor einem dreiteiligen Schminkspiegel saß eine Frau und betrachtete sich. Luce konnte von oben nur ihre hochtoupierten schwarzen Haare sehen, aber das Spiegelbild zeigte einen kräftigen schwarzen Pony, ein dick geschminktes Gesicht und eine manikürte Hand, die überflüssigerweise noch einmal den leuchtend roten Lippenstift nachzog.
    »Sobald Kleopatra mit ihrem Lippenstift fertig ist, schlüpfen wir da rein«, flüsterte Shelby.
    Unter ihnen stand Kleopatra von ihrem Sessel auf. Sie rieb vor dem Spiegel ein letztes Mal die Lippen gegeneinander und entfernte einen Lippenstiftfleck von ihren Zähnen. Dann ging sie zur Tür.
    »Hab ich dich recht verstanden?«, fragte Miles. »Du willst, dass ich in die Damentoilette ›schlüpfe‹?«
    Luce ließ noch einmal den Blick über das trostlose Flachdach schweifen. Es gab nur diesen einen Weg. »Wenn jemand dich sieht, kannst du ja sagen, du hast dich in der Tür geirrt.«
    »Oder dass du gerade in einer der Kabinen rumgeknutscht hast«, sagte Shelby. »Hey! Wir sind hier schließlich in Vegas.«
    »Okay, okay!« Miles war rot geworden und ließ sich jetzt vorsichtig in

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