Engelsmorgen
stolzer Miene erst zu seiner Frau, die am gegenüberliegenden Tischende saß, dann zu Luce. »Luce, meine Tochter, es ist schön, dich so wachsen und gedeihen zu sehen, und es freut mich, dass aus dir eine so hübsche junge Frau mit so großartigen Freunden geworden ist. Wir hoffen, dass sie alle wiederkommen werden. Prost, alle miteinander! Auf die Freundschaft!«
Luce zwang sich zu einem Lächeln und achtete nicht weiter auf die fiesen Blicke, die sich manche ihrer »Freunde« zuwarfen.
»Hoch sollen sie leben!« Daniel durchbrach das peinliche Schweigen, indem er das Glas hob. »Was täte man im Leben ohne gute Freunde, denen man vertrauen kann!«
Miles schielte zu ihm hin, während er sich zwei große Löffel vom Kartoffelbrei nahm. »Klar, kommt ja von Mr Vertrauen persönlich.«
Luces Eltern waren zu beschäftigt damit, an den Tischenden die Schüsseln und Speisen herumzureichen, um den tödlichen Blick zu bemerken, den Daniel daraufhin Miles zuwarf.
Molly löffelte von ihrer Shrimp-Diablo-Soße, die bisher noch keiner angerührt hatte, auf Miles’ Teller. »Sag stopp, wenn du genug hast!«
»Wow, Molly. Gib mir auch was von deiner Hitze ab!« Cam langte nach dem Topf mit der Soße. »Sag mal, Miles, ich hab von Roland gehört, dass du beim Fechten letztes Mal große Klasse warst. Die Mädchen fahren wahrscheinlich auf so was total ab.« Er beugte sich über den Tisch. »Du warst auch da, Luce, oder?«
Miles hielt mit seiner Gabel auf halbem Weg inne. Seine großen blauen Augen blickten unsicher in die Runde, weil er nicht wusste, worauf Cam hinauswollte, und als hoffte er, dass Luce sagen würde, ja, Mädchen fahren auf so was total ab, sie selbst eingeschlossen.
»Roland hat auch erzählt, dass Miles verloren hat«, warf Daniel ruhig ein, während er sich von der Truthahn-Pilzfüllung auftat.
Am anderen Ende des Tischs durchbrach Gabbe die angespannte Atmosphäre, indem sie laut und zufrieden aufseufzte: »Fantastisch, Mrs Price. Dieser Rosenkohl schmeckt einfach vorzüglich. Wirklich himmlisch. Findest du nicht auch, Roland?«
»Hmmm«, meinte Roland. »Erinnert mich wirklich an die gute, alte Zeit.«
Luces Mutter teilte ihr das Rezept mit, während Luces Vater anfing, von den guten Produkten aus der Region zu schwärmen. Luce war fest entschlossen, die Zeit mit ihren Eltern zu genießen; gerade beugte sich Callie zu ihr, um ihr zuzuflüstern, dass sie alle am Tisch ziemlich cool fand, vor allem Arriane und Miles. Aber es gab so vieles, worauf Luce ein Augenmerk haben musste. Sie hatte das Gefühl, dass jeden Moment eine Bombe explodieren konnte, und das musste sie unbedingt verhindern.
Ein paar Minuten später, als gerade zum zweiten Mal die Füllung um den Tisch gereicht wurde, sagte Luces Mutter: »Weißt du, dass dein Vater und ich im gleichen Alter waren wie du jetzt, als wir uns kennengelernt haben, Luce?«
Luce hatte die Geschichte schon ungefähr 3500 Mal gehört.
»Er war Quarterback an der Athens Highschool.« Ihre Mutter zwinkerte Miles zu. »Damals waren die Mädchen auch schon ganz wild nach Sportlertypen.«
»Ja, das Spiel gegen die Trojans endete damals 12 zu 2 für uns.« Luces Dad lachte, und Luce wartete auf die Fortsetzung seines Witzes, die sie auch schon lange kannte. »Ich musste Doreen dann erst beweisen, dass ich nicht auf allen Gebieten so ein Spitzensportler war.«
»Ich finde es großartig, wenn eine Ehe über so viele Jahre hinweg lebendig bleibt«, sagte Miles, der sich noch eines der von Luces Mutter selbst gebackenen Hefebrötchen nahm. »Luce hat Glück, dass sie Eltern hat, die so offen und ehrlich zu ihr und miteinander sind.«
Luces Mom strahlte.
Aber bevor sie antworten konnte, mischte Daniel sich ein. »Liebe besteht noch aus viel mehr, Miles. Würden Sie nicht auch sagen, Mr Price, dass eine wirkliche Beziehung aus mehr als nur Spiel und Spaß besteht? Dass man sich um sie bemühen muss?«
»Natürlich, natürlich.« Luces Vater tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Warum sonst sollte man sich das Eheversprechen für gute und für schlechte Zeiten geben? Natürlich hat eine Liebe ihre Höhen und Tiefen. Das gehört zum Leben.«
»Richtig bemerkt, Mr P.«, sagte Roland mit einem Ernst, der so gar nicht zu seinem siebzehnjährigen Gesicht passte. »Bei Gott, ich habe auch schon einiges Auf und Ab mitgekriegt.«
»Mach mal ein bisschen locker«, mischte sich zu Luces Überraschung auf einmal Callie ein. Arme Callie, die alles hier wörtlich
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