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Engelsmorgen

Engelsmorgen

Titel: Engelsmorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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»Ich hätte es wissen sollen. Ich hätte erkennen müssen, um wen es sich da handelte.«
    »Hast du aber nicht«, sagte der Outcast mit unnatürlich ruhiger Stimme. Er griff in die Innentasche seines Trenchcoats und zog daraus einen silbernen Bogen hervor. Aus der anderen Tasche holte er einen silbernen Pfeil, den er blitzschnell anlegte. Er zeigte damit erst auf Roland und dann auf alle anderen in der Runde. »Bitte entschuldigt mein Eindringen hier. Ich bin gekommen, um Lucinda zu holen.«
    Daniel machte einen Schritt auf den Outcast zu. »Du wirst hier nichts und niemanden holen«, sagte er. »Es kann höchstens sein, dass dich der Tod ereilt, wenn du nicht schleunigst von hier verschwindest.«
    »Tut mir leid, das geht nicht«, antwortete der Junge, Pfeil und Bogen immer noch angespannt. »Wir haben uns auf diese Nacht der lang ersehnten Übergabe gut vorbereitet. Da werde ich nicht mit leeren Händen abziehen.«
    »Wie konntest du nur, Phil?«, schrie Shelby und wandte sich dann zu Luce. »Das hab ich nicht gewusst … Ehrlich, Luce, ich hatte keine Ahnung. Ich hielt ihn bloß für einen Schleimscheißer.«
    Die Lippen des Jungen kräuselten sich zu einem unheimlichen Lächeln. Mit seinen gespenstischen blicklosen Augen wirkte er wie aus einem Albtraum entsprungen. »Überlasst sie mir kampflos oder keiner von euch kommt davon.«
    Da brach Cam in schallendes, lautes Gelächter aus, dass die ganze Küche davon erbebte und der Junge in der Tür sich fast nicht mehr auf den Beinen halten konnte.
    »Vor dir und deiner Armee, oder was?«, sagte Cam. »Ich glaube, du bist der erste Outcast mit Sinn für Humor, den ich bisher kennengelernt habe.« Er blickte in der überfüllten Küche umher. »Warum gehen wir nicht nach draußen und erledigen das dort? Nur du und ich? Damit wir’s hinter uns haben.«
    »Gerne«, antwortete der Junge mit einem dünnen Lächeln auf seinen blassen Lippen.
    Da richtete Cam sich auf, presste seine Schulterblätter zusammen – und genau an der Stelle, wo sie sich berührten, wuchsen auf einmal zwei riesige goldene Schwingen durch seinen grauen Kaschmirpullover. Sie breiteten sich hinter seinem Rücken zu ihrer ganzen Pracht aus und füllten einen großen Teil der Küche. Cams Flügel strahlten so hell, dass man von ihrem Anblick beinahe geblendet war.
    »Zum Teufel, was ist das denn?«, flüsterte Callie, die sich die Augen rieb.
    »Trifft es ziemlich genau«, meinte Arriane, während Cam die Flügel nach hinten klappte und sich dann an dem Outcastjungen vorbeischob, hinaus in den Garten. »Luce wird dir das gleich erklären.«
    Auch Rolands Flügel entfalteten sich; mit einem Geräusch, als würde ein großer Schwarm Vögel aufflattern. Sie schimmerten im Licht der Küchenlampe wie schwarz-goldener Marmor, als er Cam nach draußen folgte. Molly und Arriane drängten sich gleich dahinter, so hastig, dass sie zusammenstießen. Dann war Arriane mit ihren in allen Regenbogenfarben schillernden Flügeln auch schon verschwunden, während Mollys bronzefarbene Schwingen in der Küche noch kleine elektrische Funken versprühten, bevor sie hinterherstolperte. Als Nächste öffnete Gabbe anmutig wie ein Schmetterling ihre flaumigen weißen Flügel, doch mit einer solchen Geschwindigkeit, dass dabei ein Windstoß durch die Küche fegte. Sie hinterließ süßen Blütenduft.
    Daniel ergriff Luces Hände. Er schloss die Augen, atmete tief durch und ließ dann auch seine mächtigen weißen Flügel aus seinem Rücken wachsen. In ihrer ganzen Breite hätten sie die Küche gesprengt, doch er zügelte sie, sodass sie eng an seinem Körper anlagen. Sie schimmerten und glänzten in reinstem Weiß, und wie jedes Mal dachte Luce, dass sie so etwas Schönes noch nie gesehen hatte. Sie strich mit beiden Händen darüber. Sie fühlten sich warm und seidenweich an und zugleich spürte man ihre ungeheure Kraft. Eine Kraft, die von Daniel nun auch in sie überströmte. Sie war ganz von einem Gefühl großer Nähe erfüllt, dass sie glaubte, ihn vollkommen zu verstehen. Als wären sie beide eins geworden.
    Sorge dich nicht. Alles wird gut. Ich werde immer bei dir sein.
    Was er aber laut aussprach, war: »Bleib hier in der Küche. Da bist du sicher.«
    »Nein«, bettelte sie. »Bitte, Daniel.«
    »Ich bin gleich wieder da«, sprach er, klappte seine Schwingen nach hinten und verschwand zur Tür hinaus.
    Alle in der Küche, die keine Engel waren, standen hilflos beieinander. Miles starrte aus dem Fenster. Shelby hatte

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