Engelsmorgen
Das mit Luce und Daniel ist alles so romantisch und riesig. Ich bin echt eifersüchtig – aber keine Angst, total harmlos!«
»Eifersüchtig darauf, dass ich jedes Mal sterben muss, wenn ich versuche, mit dem Jungen meiner Träume zusammen zu sein?« Luce zuckte mit den Schultern. »Das kann einem ganz schön den Spaß verderben.«
»Erzähl das mal dem Mädchen, deren einziger Kuss bisher der mit Ira Frank von Irritable Bowel Syndrome war!« Jasmine zwinkerte Luce zu.
Als Luce daraufhin nicht lachte, fingen Dawn und Jasmine allein zu kichern an, leicht verlegen, als glaubten sie, dass Luce sich nur aus Bescheidenheit so zurückhielt. Noch nie war Luce in der Rolle der Adressatin eines solchen Kicherns gewesen.
»Was hat deine Mutter dir denn erzählt?«, fragte Luce.
»Och, das Übliche, was man immer so hört: Der Krieg brach aus, alles war grässlich, und als sich in den Wolken die Fronten bildeten, hatte Daniel nichts anderes als seine Liebe zu dir im Kopf, wovon alle bald genug hatten. Natürlich mag ich diesen Teil der Geschichte am meisten. Na ja, und deshalb müsst ihr jetzt auf ewig leiden, weil zur Strafe über euch verhängt wurde, dass ihr euch immer noch unheimlich liebt, aber nie richtig zueinander finden kö…«
»Stimmt nicht ganz, man erzählt sich auch, dass ihr es unter ganz besonderen Bedingungen trotzdem könnt«, verbesserte sie Jasmine und zwinkerte Luce noch einmal komplizenhaft zu. Als Luce das alles hörte, erstarrte sie.
»Niemals!« Dawn machte eine verächtliche Handbewegung. »Sie geht doch immer in Flammen auf, sobald sie …« Als sie Luces erschrockene Miene bemerkte, zuckte sie zusammen. »Oh, Entschuldigung, das hörst du sicher nicht gern!«
Jasmine mischte sich ein. »Meine ältere Schwester hat mir aber auch noch eine andere Geschichte aus deiner Vergangenheit erzählt, und ich schwöre, dass du da …«
»Ach was!« Dawn hakte sich bei Luce unter, als würde all dieses Wissen – zu dem Luce selbst der Zugang versperrt war – ihren Wert als Freundin nur noch steigern. Das war total verrückt. Luce fühlte sich richtig verlegen und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sie war verlegen und auch etwas aufgeregt. Und unsicher, was sie von diesen Geschichten halten sollte. Ob daran auch nur ein Körnchen Wahrheit war. Eines war klar: Luce war auf einmal so etwas wie … eine Berühmtheit. Aber es fühlte sich seltsam an. Als wäre sie eines dieser namenlosen langbeinigen hübschen Mädchen neben einem männlichen Hollywood-Jungstar auf einem Paparazzi-Foto.
»Mädels!« Jasmine deutete mit übertriebener Geste auf ihre Armbanduhr. »Wir sind superspät dran! Wir müssen jetzt in den Unterricht!«
Luce griff hastig nach ihrem Rucksack. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie nun musste und welches Unterrichtsfach sie gleich haben würde. Genauso wenig wie sie wusste, was sie mit Jasmines und Dawns Begeisterung anfangen sollte. Sie hatte schon lange keine Gesichter mehr gesehen, die sie so breit anlächelten, nicht mehr seit … na ja, vielleicht sogar noch nie.
»Weiß eine von euch, wo mein erster Unterricht ist? Ich hab noch gar keinen Stundenplan bekommen.«
»Ach was«, sagte Dawn und winkte ab. »Komm einfach mit. Wir sind immer alle zusammen! Das macht echt solchen Spaß!«
Die beiden Mädchen nahmen Luce in die Mitte, und sie schlängelten sich zu dritt zwischen den Tischen hindurch, wo die letzten Jugendlichen ihr Frühstück beendeten. Obwohl sie angeblich »superspät« dran waren, schlenderten Jasmine und Dawn gemütlich über den frisch gemähten Rasen.
Luce überlegte kurz, ob sie die beiden fragen sollte, was eigentlich mit Shelby los war. Aber sie wollte nicht, dass es so wirkte, als würde sie sogleich hinter deren Rücken tratschen. Die beiden Mädchen wirkten total nett. Trotzdem hatte Luce keine große Lust, sich gleich neue beste Freundinnen zu suchen. Immer wieder sagte sie sich: Hier werde ich nur vorübergehend sein. Es dauert nicht lange, dann bin ich wieder mit Daniel zusammen.
Auch wenn sie nur kurz hier sein würde, die Schönheit ihrer neuen Umgebung würde sie bestimmt vermissen. Sie gingen zu dritt einen von Hortensienbüschen gesäumten Pfad entlang, der in sanftem Bogen von der Frühstücksterrasse wegführte. Dawn quasselte dauernd vor sich hin, aber Luce hörte ihr nicht zu. Sie konnte sich gar nicht sattsehen. Nur wenige Schritte entfernt fiel das Kliff steil zum Meer ab und tief unten glitzerte der Ozean. Die Wellen brandeten
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