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Engelsnacht

Engelsnacht

Titel: Engelsnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Kate
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die Tür aufsperrte, spürte Luce, wie ihr ein Schauder über den Rücken lief, so aufgeregt war sie. Penn hatte recht - das war viel besser, als einen Stammbaum aufzuzeichnen.
    Sie gingen durch einen stickigen, feuchten Gang, dessen Decke sich nur ein paar Zentimeter über ihren Köpfen befand. In der Luft lag ein starker Verwesungsgeruch, und Luce war beinahe froh, dass es zu finster war, um den Boden richtig sehen zu können. Bevor ihr aber alles zu unheimlich wurde, hatte Penn schon einen weiteren Schlüssel hervorgezogen und öffnete eine kleine Tür, die weitaus jüngeren Datums war. Sie bückten sich hindurch, dann standen sie im Archivkeller der Schule.
    Drinnen roch es immer noch leicht moderig, aber die Luft war kühler und trockener. Bis auf das schwache rote Leuchten des EXIT-Zeichens über ihren Köpfen war es stockdunkel.
    Luce nahm neben sich undeutlich Penns Körper wahr, sah, wie sie mit der Hand in der Luft herumsuchte. »Wo ist denn die Schnur?«, murmelte sie. »Da.«
    Sie zog vorsichtig daran und knipste eine Glühbirne an,
die von der Decke hing. Der Keller wurde davon nur schwach beleuchtet, aber Luce konnte erkennen, dass die Wände ebenfalls olivgrün gestrichen waren. Schwere Metallregale liefen an ihnen entlang, in denen unzählige Archivkartons verstaut waren. In der Mitte des Raums standen mehrere Reihen von Aktenschränken. Alles war von einer dicken Staubschicht bedeckt.
    Der Sonnenschein des Septembertags schien plötzlich sehr weit weg. Obwohl Luce wusste, dass sie sich nur ein paar Treppenstufen unter der Erde befanden, fühlte sie sich, als wären es Kilometer. Sie rieb sich ihre nackten Arme. Wenn sie einer der Schatten wäre, dann würde sie sich hier aufhalten, hier unter der Erde. Bisher war nichts von ihnen zu sehen, aber Luce wusste, dass das nichts zu bedeuten hatte. Sie konnte sich nie sicher fühlen vor ihnen und erst recht nicht an einem solchen Ort.
    Penn schien die dämmerige, düstere Atmosphäre wenig zu beeindrucken. Sie holte einen Tritthocker aus der Ecke hervor. »Wow«, meinte sie, während sie ihn durch einen Gang hinter sich herschleifte. »Da hat sich was verändert. Die Akten, die ich suche, standen immer hier … Ich glaub, die haben einen Frühjahrsputz veranstaltet, seit ich das letzte Mal hier reingeschneit bin.«
    »Wie lang ist das her?«, fragte Luce.
    »Ungefähr eine Woche…« Penn verschwand hinter einem hohen Aktenschrank.
    Luce konnte sich nicht so recht vorstellen, wofür die Sword & Cross alle diese Akten benötigte. Sie öffnete einen der Kartons und zog eine dicke Mappe heraus, auf der ER-ZIEHUNGSMASSNAHMEN stand. Sie schluckte. Vielleicht war es besser, nicht zu viel zu wissen.
    »Das ist hier alphabetisch nach Schülern geordnet«, rief
Penn. Ihre Stimme klang gedämpft, als wäre sie weit weg. »E, F, G … da muss es sein. G wie Grigori.«
    Luce folgte Penn den schmalen Gang entlang, sie hörte, wie ein Archivkarton hervorgezerrt und auf dem Boden abgestellt wurde. Dann stand sie vor Penn, die den schweren Karton gerade wieder in das Regal zurückwuchtete. Eine Mappe mit der Aufschrift »Daniel Grigori« klemmte unter ihrem Kinn. Sie hob den Kopf etwas, damit Luce die Mappe hervorziehen konnte.
    »Die ist so dünn«, sagte Penn. »Normalerweise gibt es viel mehr Unterlagen …«
    Sie biss sich auf die Lippen. »Okay, ähm, jetzt höre ich mich wirklich wie eine verrückte Stalkerin an. Also, dann lass uns mal sehen, was wir da finden.«
    In Daniels Mappe befand sich nur ein einziges Blatt. Die Schwarz-Weiß-Kopie eines Fotos von ihm - wahrscheinlich aus seinem Schülerausweis - war rechts oben in die Ecke geklebt. Er blickte direkt in die Kamera, direkt in Luces Augen - und lächelte. Luce konnte nicht anders, sie lächelte zurück. Er sah genauso aus wie damals in jener Nacht, als - wann war das gewesen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Eine Nacht, in der sie sich schon einmal begegnet waren? Wann sollte das gewesen sein? Der Ausdruck auf seinem Gesicht kam ihr so vertraut vor, aber sie hätte nicht zu sagen vermocht, wann und wo sie ihn schon einmal gesehen hatte.
    »Gott, er hat sich überhaupt nicht verändert, oder?«, unterbrach Penn ihre Gedanken. »Guck mal hier auf das Datum. Das war vor drei Jahren, als er das erste Mal in die Sword & Cross gekommen ist.«
    Das musste es wohl gewesen sein. Wahrscheinlich war ihr das aufgefallen … dass Daniel damals genauso ausgesehen haben musste wie jetzt. Damals vor drei Jahren.

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