Engelspakt: Thriller (German Edition)
Raffinesse ist: Die rechte Hälfte ist doppelt so tief wie die linke.«
»Dafür scheint die DVD -Wand mit dem Raum unter dem Treppenaufgang identisch zu sein«, fügte Catherine hinzu. »Wie ein umgekehrter Erker.«
Jetzt klopfte sogar Giada an die massive Wand. »Ich habe Seine Eminenz nie unter der Treppe verschwinden sehen, aber das könnte natürlich auch daran liegen, dass sich der Zugang in seinem Arbeitszimmer befindet.«
»Davon bin ich überzeugt«, sagte Catherine und fügte an Rinaldo gewandt hinzu: »Wie es aussieht, kommt jetzt Ihre elektronische Karte zum Einsatz, Pater.«
Zwei Sekunden später standen sie alle vier vor der DVD -Regalwand, die neben wissenschaftlichen Dokumentationen und Filmklassikern auch einige aktuelle Filme enthielt. Ciban schien an Fiction und Non-Fiction ebenso interessiert wie an Historischem und Futuristischem.
»Räumen wir den Schrank aus«, sagte Catherine.
»Warten Sie«, überlegte Coelho. »Es muss einen unauffälligen und schnellen Zugriff auf den Durchgang geben, so angelegt, dass man ihn nicht zufällig beim Staubwischen oder Stöbern in den DVDs entdeckt.«
Catherine blickte zum Schreibtisch hinüber. »Die Konsole!«
Sie ging darauf zu, konnte auf der Tastatur jedoch auf den ersten Blick nichts entdecken.
Coelho trat neben sie. »Sie gestatten, Schwester?«
Er tastete den unteren Bereich, die Innenseiten sowie die Schubladen des Schreibtischs ab und schüttelte den Kopf. »Wie es aussieht, müssen wir die Regalwand doch etwas näher inspizieren.«
Sie leerten jeden einzelnen Regalboden und legten die DVDs dabei so aneinandergereiht auf das Parkett, dass sie sie später wieder exakt in der gleichen Reihenfolge einräumen konnten. Coelho klopfte sowohl die Rückwand als auch jedes Brett ab, aber sie fanden weder einen Knopf noch einen Sensor noch so etwas wie ein integriertes Kartenlesegerät.
»Warum können die Leute auch nie einen klaren Hinweis hinterlassen«, seufzte Giada halb im Ernst. Dann ließ sie sich auf den Schreibtischsessel sinken und legte die Arme auf die bequemen Lehnen.
»Der Sessel!«, entfuhr es Catherine.
»Wie bitte?«
»Der Sessel … die Armlehnen!«
Catherine trat an den Sessel heran, bat Giada, die Arme anzuheben, und fummelte an den Lehnen herum. Prompt klappte die rechte Armlehne auf und offenbarte einen Sensor, den sie nun betätigte.
Von einer Sekunde auf die andere setzte sich die linke Regalwandhälfte geräuschlos in Bewegung und verschwand nahtlos in der rechten, so dass die Öffnung vom Eingang her nicht zu erblicken war. Eine automatische Leuchte schaltete sich ein und erhellte den Raum dahinter, der um einiges größer war, als es von außen den Anschein hatte.
Catherine trat näher – und blieb auf der Schwelle wie angewurzelt stehen.
Was sie da erblickte, kannte sie bereits von neulich, als Ciban sie im Krankenhaus in dieses verrückte Traumwirrwarr hineingesogen hatte.
Sie betrachtete die riesige, chaotisch anmutende Pinnwand aus Worten, Fotos und Texten mit den unzähligen roten und schwarzen Verbindungslinien.
In der Mitte der Wand prangte das Foto von dem Grab.
Während die anderen respektvoll warteten, gab sie sich einen Ruck und betrat den Raum.
Das Foto von dem Grab hatte eine geradezu hypnotische Anziehungskraft. Es wirkte wie der Endpunkt des Schicksals eines Menschen, der zu Unrecht vor seiner Zeit gestorben war. Die Grabplatte war tiefschwarz und schlicht. Auf dem Hintergrund des Steins war nur die Andeutung eines Kreuzes zu sehen.
Catherine las den Namen, das Geburtsdatum und den Todestag. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug.
Die Aufnahme zeigte das Grab von Sarah Maria Ciban.
57.
Alle starrten wie gebannt auf die Pinnwand. Jeder schien für sich etwas Rätselhaftes oder Vertrautes in den Fotos, den Worten oder den Texten zu sehen. Catherine verband jedoch weit mehr mit dieser Wand. Sie hatte all die Pins mehrmals in ihren Visionen gesehen. Jedes einzelne Element war für sie an ein ganz besonderes Empfinden gekoppelt.
Das Foto von Sarah Cibans Grab war der Dreh- und Angelpunkt mit dem eindringlichsten Gefühl. Alle Linien und Empfindungen gingen von dieser Aufnahme aus oder führten zu ihr hin, ganz gleich wie abstrus die Impressionen auf den ersten Blick erscheinen mochten. Catherine machte sich klar, dass die assoziativen Ahnungen, die sie bei dem Anblick durchfluteten, nicht ihre eigenen Gefühle widerspiegelten. Es waren vor allem Cibans Eindrücke und Instinkte.
Unbewusst
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