Engelspakt: Thriller (German Edition)
geeilt, tatsächlich aber war er an diesem Tag tief im Untergrund der Verliese der Engelsburg gewesen.
»Das Ganze geht weit über das hinaus, was wir vermutet haben«, sagte Coelho, der noch immer auf die Fotowand starrte.
Catherine seufzte. »Allerdings. Wir sollten uns daher zunächst auf das Wesentliche konzentrieren.«
Das waren nun einmal die Ereignisse in unmittelbarer Nähe des Grabfotos. Unter anderem hing da auch eine Ansichtskarte aus Cambridge. War die Karte etwa von Sarah?
Sie nahm die Postkarte kurzerhand ab, ignorierte das damit verbundene Gefühl von Wehmut und Trauer und betrachtete sie näher.
Die Karte zeigte die Mathematikbrücke im Queen’s College von Cambridge, die die ältere Hälfte des Colleges mit der neueren verband. Einem Mythos zufolge hatte Sir Isaac Newton die Brücke so entworfen, dass sie ohne Schrauben und Muttern hatte gebaut werden können. Tatsächlich besaß die Brücke mehr Schrauben und Muttern, als man freiwillig zu zählen gewillt war.
Catherine drehte die Karte um und blickte auf das Adressfeld. Der Poststempel war über fünfzehn Jahre alt, aber noch gut lesbar. Der Empfänger war Marcus Ciban, und die Empfängeradresse stimmte exakt mit dem Appartement überein, in dem Catherine sich in diesem Moment befand.
Marcus . Bisher hatte sie sich keine großen Gedanken um den vollen Vornamen Kardinal Cibans gemacht, doch jetzt dämmerte ihr, dass der aus dem Lateinischen stammende Vorname »der dem Mars Geweihte« bedeutete. Männliche Kinder mit diesem Namen hatte man in der Antike dem Kriegsgott Mars geweiht.
Wie es aussah, hatte Cibans Vater sich bei der Namenswahl seines Sohnes etwas gedacht. Auch beim Namen seiner Tochter hatte er sich nicht lumpen lassen, bedeutete Sarah doch »Fürstin« oder »Herrin«.
Catherine blickte auf die linke Seite der Kartenrückseite und las den Text:
Lieber Marc,
hier zu studieren ist ein Gottesgeschenk. Ich weiß, Vater hätte mich am liebsten in Rom gesehen, aber die Atmosphäre dort hätte mich nur erdrückt. Nochmals vielen Dank, dass du mir Cambridge ermöglicht hast.
Bis Ostern.
Alles Liebe (auch an Mama und Darius)
Sarah
Ciban hatte seiner Schwester das Studium in Cambridge ermöglicht? Hatte das etwa eine Konfrontation mit dem Vater nach sich gezogen? Interessant, wenn auch nicht gerade erhellend für den Fall. Oder etwa doch? Aus irgendeinem Grund hatte Ciban die fünfzehn Jahre alte Karte seiner Schwester jedenfalls an die Pinnwand gehängt. Als Erinnerung? Als Mahnung? Die Gefühle, die Ciban mit der Karte verband, schienen in diese Richtung zu gehen.
Sie suchte weiter die Pinnwand ab, begutachtete alles, was sich halbwegs in der Nähe des Grabfotos befand. Mit den meisten Aufnahmen, Zitaten und Texten konnte sie nichts anfangen. Nur bei einem der Fotos überkam sie plötzlich ein ungutes Gefühl, wobei sie wusste, dass diese Emotion eines der Erinnerungsfragmente von Ciban war. Sie beugte sich etwas vor, um besser sehen zu können. Zu ihrem Leidwesen handelte es sich um einen ausgesprochen schlechten Computerausdruck. Darunter stand in kleinen Druckbuchstaben …
»Doktor Zanolla«, sagte Coelho neben ihr.
Catherine blickte den Kommandanten verblüfft an. »Sie kennen den Mann?«
»Im Rahmen meiner Internetrecherchen nach der Brenda-Thornton-Klinik bin ich darauf gestoßen, dass Doktor Zanolla ein kritischer Kollege von Doktor Scelpa war.«
Neben dem Porträt hing tatsächlich ein Zeitungsausschnitt über die Furchtbarkeitsklinik. Als Catherine ihn aufklappte, um ihn genauer studieren zu können, erkannte sie sofort den Londoner Zeitungsartikel wieder, den Coelho ihr erst vor kurzem gezeigt hatte. Es durchfuhr sie wie ein Stromschlag, und auch Coelho stand da wie elektrisiert. Dann entdeckte sie etwas auf der Tischplatte unterhalb der Pinnwand, das ihre Neugierde weckte.
»Was ist denn das hier?«
Catherine griff nach einem Brief, der falsch herum dalag und mit einem iPhone beschwert worden war. Im Absenderfeld war statt einer Adresse die Skizze eines Schlaufenkreuzes zu sehen. Sie spürte augenblicklich, wie sich ihr Magen zusammenzog. Zwar hatte sie den Brief nicht in ihren Flashs gesehen, doch ihr Unterbewusstsein hatte so viel mehr während des energetischen Kontaktes mit Ciban aufgenommen. Noch jetzt spürte sie den Nachhall der schweren Sturmwolken aus vielschichtigen Gefühlen, Gedanken und Bildern, die sie und Ciban beinahe vernichtet hätten. Spürte sie all die Szenen aus der Vergangenheit, der
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