Engelspakt: Thriller (German Edition)
halb im Schlaf, hatte sich rasch angekleidet und seine Brille aufgesetzt. Dann hatte Ambrose ihn durch ein verzwicktes Geflecht aus Fahrstühlen, Fluren und Verbindungsgängen in die Unterwelt der Isolationskammern eskortiert.
Auf dem Weg zu den Iso-Kammern hatte David an Aaren gedacht und an die Bedeutung seines Traums. Er hatte Aaren vor ihrem Verschwinden von den Kirchenmännern erzählt, die er bereits während früherer Sitzungen gesehen hatte. Außerdem von dem, was er durch ihre Abbilder und mit ihren Augen gesehen hatte, und von der Außenwelt, von Orten, die Kirchen oder Klöster genannt wurden.
Aaren hörte ihm die ganze Zeit über aufmerksam zu. Als er fertig war, zeigte sie ihm einen kleinen Anhänger, den sie unter dem Sweatshirt trug, ein schlichtes silbernes Kreuz, das ihr Dr. Peterson geschenkt hatte, einer der Wissenschaftler. Sie sprach von der symbolischen Bedeutung und von Jesus Christus, ebenso von Gut und Böse und davon, dass die Kirche früher einen großen Einfluss auf die Menschheit gehabt habe. Heute dagegen sei sie eine schlafende Macht, die ihre Kräfte sammelte und bereithielt, die nur darauf wartete, dass ihre Stunde schlug und sie ihre alte Vormachtstellung wieder einnehmen konnte.
»Vielleicht hat der Doktor dir aus genau diesem Grund die Bilder von diesen Männern gezeigt. Er muss wissen, ob sie böse sind oder gut.« Aaren ließ das Kreuz wieder unter ihrem Sweatshirt verschwinden.
David sah sie verwirrt an. »Aber wenn diese Männer für Jesus und für das Gute stehen, warum sollten sie dann Böses tun?«
Aaren zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Vielleicht weil sie einfach zu viel Ehrgeiz und zu viel Macht haben, und zu wenig Mitgefühl.«
Schließlich wechselte sie einfach das Thema und sagte mit einem verschwörerischen Blick: »Ich weiß, wer meine Eltern sind.« Ein seltenes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
David starrte sie ungläubig an. Wie konnte sie wissen, wer ihre Eltern waren? Projekte hatten keine Eltern, niemals, sah man von dem Doktor und dem Pflegepersonal einmal ab.
Leise, so dass David sie kaum hören konnte, fügte Aaren hinzu: »Meine Projektunterlagen … ich habe sie eingesehen, als Doktor Peterson zu einem Notfall gerufen wurde.«
»Aber die Projektunterlagen bestehen doch nur aus Codes«, entgegnete David.
Aaren nickte. »Genau diese Codes habe ich weiterverfolgt. Ich weiß jetzt, welcher Gendatenbank ich entstamme, und ich weiß, wer die Spender sind.«
David bekam große Augen. »Du kennst ihre Namen?«
Sie lächelte ihn verschwörerisch an. »Nein, aber ich werde sie bald erfahren.«
»Und dann?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht werde ich mit einem von ihnen Kontakt aufnehmen.«
»Wie denn?«
»Über das Web.«
Das Web! Natürlich. Aaren hatte so vieles heimlich aus dem Internet geholt, ohne dass die Weiß- oder Graukittel davon auch nur das Geringste ahnten. Sie war so etwas wie ein Computergenie.
»Und was dann?«, fragte David.
»Dann werde ich das Institut verlassen!«
Aaren sagte den Satz mit so fester Überzeugung, dass es David nicht nur verblüffte, sondern regelrecht schockierte, denn kein Projekt hatte je das Institut verlassen. Es war, als gäbe es außer über das Internet keine Verbindung zur Außenwelt, als wäre das Institut ein ferner Stern in einer noch ferneren Galaxie. Trotzdem musste es einen Weg nach draußen geben.
Schließlich stellte Aaren ihm eine Frage, die ihn noch weit mehr verblüffte: »Willst du wissen, wer deine Eltern sind?«
Er schluckte, als könne er den Inhalt des Satzes überhaupt nicht fassen. Hatte Aaren etwa auch die Gencodes seiner biologischen Eltern verfolgt?
Als müsste er sich schützen, antwortete er: »Carlos hat gesagt, wir existieren für unsere genetischen Vorfahren nicht. Wir existieren einzig für das Institut. Für die Forschung. Wir sind etwas Besonderes.«
Carlos war eines der älteren Projekte. Er hatte die Hauptebene letzten Monat verlassen, weil er für den Doktor uninteressant und obendrein zu eigensinnig geworden war.
Aaren legte David einen Arm um die Schultern. »Carlos, was versteht der schon … Willst du nun wissen, wer deine Eltern sind? Willst du mit mir gehen?«
David bemühte sich, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten, während er sich vorstellte, wie es wäre, seinen Eltern zu begegnen. Bisher hatte er nahezu jeden Gedanken in diese Richtung unterdrückt, weil ein solches Treffen außerhalb des Möglichen lag. Er
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