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Engelspakt: Thriller (German Edition)

Engelspakt: Thriller (German Edition)

Titel: Engelspakt: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Thomas
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Bogenfenster von Steinen und Wind zerschlagen.
    Durch den Wind klang es, als hörte David von fern die Gebete einer Messe, die gedämpfte Stimme eines Priesters, dessen Worte er allerdings nicht verstand. Aber so geisterhaft die zerfallene Kirche auch erschien, David erfuhr durch die Gedanken des Jungen, dass sie noch immer ein heiliger Ort war, der Trost spenden und vor allem Kraft geben konnte. Deshalb war der Junge mit seiner jüngeren Schwester auch hier. Selbst das Gurren und Flattern der Tauben hinter den Ruinenfenstern schien von dieser einzigartigen Magie erfüllt.
    »Ich habe Angst«, sagte die Kleine. Sie mochte vielleicht neun Jahre alt sein und hielt die Hand ihres Bruders ganz fest. » Mamma hat gesagt, wir sollen das Haus nicht verlassen.«
    Der Junge streichelte ihr über den Kopf. » Mamma ist aber nicht hier, Sarah. Papa hat ein Problem, und deshalb musste sie zurück nach Rom.«
    »Mir ist kalt«, sagte Sarah zitternd. Der Junge zog seine Jacke aus und hüllte die Kleine darin ein. »Was für ein Problem hat Papa denn?«
    »Er versucht uns zu beschützen.«
    »Hat er Mamma und uns deshalb nach England geschickt? Ich mag England nicht. Dort ist es kalt und nass.«
    »Bis heute war England aber wenigstens sicher.«
    »Ich weiß nicht.« Die Kleine blickte sich in der alten Kirche um. »Wer war der Mann, der in unser Haus eingebrochen ist?«
    Als Antwort küsste der Junge seine kleine Schwester auf die Stirn. David sah, wie er sie zum Altarbereich führte, auf die Altarplatte hob und ihr dann befahl, sich nicht von der Stelle zu rühren.
    »Bete, Sarah, bete!«
    Das Mädchen befolgte den Befehl sofort und wählte das einzige und zugleich bekannteste Gebet, das Jesus von Nazareth seine Jünger selbst gelehrt hatte:
    Vater unser, der Du bist im Himmel,
    geheiligt werde Dein Name;
    zu uns komme Dein Reich;
    Dein Wille geschehe,
    wie im Himmel, also auch auf Erden!
    Unser tägliches Brot gib uns heute;
    und vergib uns unsre Schuld,
    wie auch wir vergeben unsren Schuldigern;
    und führe uns nicht in Versuchung,
    sondern erlöse uns von dem Übel.
    Amen.

    Während die Kleine das Vaterunser betete, ging der Junge nach Osten, zog einen breiten Schutzkreis im Uhrzeigersinn, der wieder im Osten endete. Dann sprach er eine Beschwörungsformel in einer Sprache, die David noch nie gehört hatte. Durch den Geist des Knaben erfuhr er, dass die Bemächtigung dieses Rituals im Einklang mit dem Gebet und der Formel eine geistige Wirklichkeit erschuf, die alles Böse aus dem Kreis fernhalten würde. So weit zumindest die Theorie. Der Junge hatte diese religiöse Metaphysik noch nie zuvor heraufbeschworen, daher wiederholte er die Prozedur und zog einen zweiten Kreis. Danach verneigte er sich vor dem gewaltigen Kreuz, das über allem schwebte, und betrat gerade den Altarbereich, als David ächzende Geräusche vom anderen Ende der Kirche vernahm. Auch der Junge hörte es und behielt den breiten Mittelgang im Auge.
    Die große, mächtige Eichentür des Portals knarrte wie unter einer Tonnenlast. Irgendjemand war den Kindern in die alte Kirche gefolgt. Schwere Schritte kamen näher, eindeutig die Schritte eines Erwachsenen. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde die Dunkelheit um David herum gleißend weiß wie die Angst. David hörte den Jungen etwas flüstern und mit einem beruhigenden Blick zu der kleinen Sarah hinaufsehen.
    Ein großer, stämmiger Mann in einem schwarzen Anzug mit Priesterkragen passierte die letzte Reihe der verrotteten Kirchenbänke und kam auf den Altarbereich zu. Die Aura des Fremden loderte in tiefem Rot und tiefem Schwarz, wie Kohle, die Feuer gefangen hatte. In ihrem Kern pulsierte sie sogar wie ein schlagendes Herz.
    »Es ist nicht rechtens, dass du deine Schwester hierhergebracht hast, mein Junge«, sagte der Mann, und seine Stimme klang so verführerisch, dass die Wut und der Hass darin beinahe verhüllt waren. »Sie ist eine Missgeburt, ein tiefer Abgrund, eine Abnormität, die schlimmer ist als jeder Moloch.«
    »Hör nicht hin, Sarah. Verschließe deinen Geist. Bete weiter«, sagte der Junge und stellte sich vor seine Schwester und den Altar.
    Die Stimme der Kleinen wurde wieder etwas fester. Sie beendete das Gebet und fing nahtlos wieder von vorne an, ohne ihren Bruder und den Fremden aus den Augen zu lassen.
    Das spärliche Morgenlicht, das in milchigen Kegeln durch die zertrümmerten Bogenfenster fiel, verlor sich in der Schwärze und dem düsteren Grau des Gemäuers. Der Fremde

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