Engelspakt: Thriller (German Edition)
Totaltreppensturz.«
»Das war dann wohl ich.«
Catherine fuhr sich an die Stirn und befühlte die anschwellende Beule. Wie sie wusste, war der extrem konservative Kardinal Ottaviani von 1965 bis 1968 Präfekt des Heiligen Offiziums oder vielmehr der Inquisition gewesen. Irgendwie musste sie die umstrittene Büste, wahrlich ein scheußliches Teil, bei ihrem Sturz unglücklich erwischt haben. Nun denn, damit war die Diskussion wohl ein für alle Mal beendet.
»Hier, noch etwas Eis. Damit die Beule nicht ganz so dick wird.«
Rinaldo reichte ihr das andere Handtuch, in das er zuvor etwas Eis eingewickelt hatte. Eis, das offenbar recht schnell geschmolzen war.
»Danke, Pater. Wie lange liege ich schon hier?«
Tardini und Rinaldo wechselten einen kurzen Blick, dann erklärte der alte Bischof: »Fünf Minuten etwa. Aber keine Sorge, Sie haben sich nichts gebrochen. Sie sind noch einmal mit dem Schrecken und ein paar blauen Flecken davongekommen. Ich dachte erst, meine Nachricht hätte Sie dermaßen aus der Fassung gebracht, aber dann …«
Catherine setzte sich nun ganz auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Couch. Ihr Schädel brummte wie ein Bienenstock. »Aber dann, Exzellenz?«
»Sie haben während Ihrer Bewusstlosigkeit einige seltsame Dinge gemurmelt.«
Catherine blickte die beiden Männer verwirrt an.
Rinaldo erklärte: »Sie haben Darius erwähnt und einen gewissen Turael, außerdem Kardinal Ciban.«
Schlagartig war die Erinnerung an die Vision wieder da, die Catherine vom obersten Treppenabsatz gefegt hatte. Sie war eigentlich eher ein Sammelsurium aus verschiedensten Flashs gewesen. Da war auch wieder diese Wand mit den Fotos, den Texten und all den rätselhaften Verbindungslinien gewesen, außerdem das Foto mit dem Grab und dann etwas völlig Neues und Überwältigendes. Diese verfallene Kirche mit dem zerborstenen Altar und dem gewaltigen Kreuz, die Kinder, der fremde Angreifer namens Turael … Darius!
Rinaldo öffnete eine von Cibans Heilwasserflaschen und schenkte Catherine ein Glas voll.
»Hier, Schwester. Sie sehen aus, als könnten Sie es dringend brauchen.«
Catherine trank einen kleinen Schluck und lehnte sich vorsichtig zurück. Innerlich seufzte sie bei der Erkenntnis, dass es wieder losging, wie damals bei Benelli, als er eine geistige Verbindung zu ihr hergestellt hatte. Vor einem Jahr hatte sie mit einem Mal Dinge gesehen, die kein Normalsterblicher je in seinem Leben zu Gesicht bekommen würde, und sie hatte dabei fast den Verstand verloren. Dabei hatte sie durch das Institut und das Lux Domini eine gewisse Schulung im Umgang mit Grenzbereichen erfahren.
Was die überwältigende Vision von vor wenigen Minuten anging … Für einen Moment hatte sie in die Vergangenheit geblickt, in Cibans Vergangenheit, und dann war da dieser sonderbare Junge gewesen, der dort eigentlich gar nicht hätte sein dürfen. Aber sie hatte ihn eindeutig durch Cibans Augen gesehen und dabei gespürt, dass auch Ciban von der Anwesenheit und dem Tun des Jungen völlig überrumpelt worden war.
Der Junge hatte Turael getötet! Damit hatte er Ciban, Sarah und Darius das Leben gerettet. Aber wo war der seltsame Junge hergekommen? Aus dem sprichwörtlichen Nichts?
Tardini und Rinaldo schauten Catherine erwartungsvoll und ein wenig befremdet an. Aber was sollte sie ihnen sagen? Dass sie Ciban nach dem Anschlag mit ihrer Lebensenergie am Leben erhalten hatte und nun eine geistige Verbindung zwischen ihnen bestand? Dass ihr diese ungewollt herbeigeführte Verbindung Visionen bescherte, die sie eigentlich gar nichts angingen, die genau genommen sogar Cibans Privatsphäre verletzten? Oder wollte der Kardinal ihr am Ende etwas mit dieser Episode mitteilen? Danach hatte es für Catherine nun wahrlich nicht ausgesehen. Vielmehr hatte sie den Eindruck gewonnen, dass Ciban von dieser Rückblende ebenso überrascht worden war wie sie. Wer oder was hatte diese Vision dann initiiert? Etwa dieser seltsame Junge, der überhaupt nicht in dieser vergangenen Episode aus Cibans Leben hätte sein dürfen? Was mindestens genauso wichtig war: Wo hatte sie den Jungen schon einmal gesehen? Ganz zu schweigen von der Frage, wer dieser Turael war. Catherine hatte ganz deutlich die Schwärze seiner Seele gespürt. Sie schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und sah Tardini und Rinaldo an.
»Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Würden Sie mir bitte meine Tasche reichen?«
Rinaldo hob die Tasche vom Boden auf und reichte sie
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