Engelsrache: Thriller
und Lilly hatten noch geschlafen, als ich losgefahren war. Oder ob sie es doch vergessen hatten?
Mein Gott, und wenn etwas passiert war? Irgendwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu. Ich kraulte Rio ein wenig den Kopf und lief dann zu der Tür, die von der Garage aus in die Küche führte. Alles dunkel. Ich ließ dem Hund den Vortritt. Nichts.
»Hallo! Jemand zu Hause?« Ich knipste das Licht in der Küche an.
An der Decke war ein riesiges Poster befestigt, das bis zum Boden hinunterreichte und mindestens zwei Meter breit war. Auf das Poster hatten meine Lieben in leuchtend-blauen Buchstaben geschrieben:
Happy Birthday, Dad!
WIR LIEBEN DICH!
Als die drei aus dem Arbeitszimmer in die Küche kamen und »Happy Birthday!« sangen, fing ich laut an zu lachen. Alle drei trugen gestreifte Pyjamas und grinsten breit. Sie waren wie ein Sträflingstrupp an den Handgelenken zusammengebunden: die Dillard-Sträflinge – meine Familie! Mein Selbstmitleid war augenblicklich verflogen, und ich schloss die drei gerührt in die Arme.
Caroline teilte mir mit, dass sie mich zum Essen ausführen wollten. Dann zogen sich alle drei rasch wieder um. Ich entschied mich für das Café Pacific, ein ruhiges kleines Lokal am Rand von Johnson City, wo man die besten Fischgerichte der ganzen Stadt bekam. Während ich Garnelen und Muscheln aß, die in einer überirdisch guten Thaisauce schwammen, betrachtete ich meine drei Lieben. Schließlich blieb mein Blick an Carolines Gesicht hängen. Mein Gott, wie lange das schon her war, seit ich mich in das schönste Mädchen der ganzen Schule verliebt hatte. Dabei war meine Frau heute sogar noch schöner als damals. Ihr gewelltes braunes Haar schimmerte im Kerzenlicht. Auf ihrer glatten blassen Haut und in ihren dunklen Augen lag ein strahlender Glanz. Als sie bemerkte, dass ich sie ansah, bedachte sie mich mit einem scheuen Lächeln, und ich konnte das Grübchen in ihrer rechten Wange erkennen.
Carolines fester, geschmeidiger Körper ist genau dort weich gepolstert und herrlich gerundet, wo es darauf ankommt. Sie hat ihr Leben lang getanzt und betreibt noch immer ein kleines Tanzstudio. Lilly wiederum ist Caroline wie aus dem Gesicht geschnitten, nur dass ihre Haare und auch das Braun ihrer Augen etwas heller sind. Lilly ist siebzehn und bald mit der Highschool fertig. Sie möchte mal Tänzerin werden oder Fotografin oder Künstlerin, vielleicht aber auch ein Broadway-Star.
Jack sieht mir sehr ähnlich. Er ist gerade neunzehn geworden, ist groß gewachsen und muskulös – mit dunklem Haar und grüblerischen fast schwarzen Augen. Jack ist ein erstklassiger Student und ein irrsinnig ehrgeiziger Sportler, der unbedingt professionell Baseball spielen möchte, ein Ziel, das er mit fanatischem Eifer zu erreichen sucht. Wir zwei haben unzählige Stunden zusammen auf dem Baseballplatz verbracht und trainiert. Er übt schlagen, bis er Blasen an den Händen hat, werfen, bis ihm der Arm wehtut, er hebt Gewichte, bis ihm die Muskeln brennen, und läuft, bis seine Beine nicht mehr mitmachen. Zum Lohn für diese Mühen hat ihm die Vanderbilt-Universität in Nashville, Tennessee, ein Stipendium gewährt, das allerdings nur die Hälfte der Studienkosten abdeckt. Für die restlichen zwanzigtausend Dollar pro Jahr muss ich aufkommen.
Als der Ober mir ein Stück Schokoladenkuchen brachte, kramte Caroline eine Kerze aus ihrer Handtasche hervor, steckte sie in den Kuchen und zündete sie an.
»Wünsch dir was«, sagte sie.
»Aber nicht sagen, was«, verlangte Lilly. Das sagt sie jedes Jahr.
Ich wünschte mir schlicht und ergreifend, wenigstens ein Mal einen unschuldigen Mandanten zu vertreten. Und je eher, desto besser.
Dann griff Jack unter den Tisch und brachte eine kleine flache, schön verpackte Schachtel zum Vorschein.
»Das ist von uns allen«, sagte er.
Ich klappte die Karte auf und erkannte sogleich Carolines Handschrift. »Folge Deinem Herzen«, hatte sie geschrieben. »Folge unbeirrbar Deinen Träumen. Wir sind bei Dir, wohin Dich das Leben auch führt. Wir lieben Dich.« Caroline lag genauso viel daran, dass ich endlich meinen Anwaltsberuf an den Nagel hängte, wie mir selbst. Sie war davon überzeugt, dass mein Beruf mich immer wieder unweigerlich in Konflikt mit mir selbst bringen musste. Deshalb hatte sie mir schon oft geraten, mich in Abendkursen zum Highschool-Lehrer und zum Baseballtrainer ausbilden zu lassen.
In der Schachtel befanden sich vier teure Eintrittskarten für ein Spiel der
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