Engelsrache: Thriller
Gesicht zum Wagendach und atmete noch einmal tief ein. Dann schob ich mich durch das Fenster auf der Beifahrerseite ins Freie. Der Wagen war zuletzt seitlich weggekippt, deshalb hatte ich die Orientierung verloren und wusste nicht, wohin ich schwimmen sollte.
Dann fielen mir die Blasen vor dem Kühler wieder ein. Blasen steigen nach oben, Joe. Ich ließ etwas Luft aus dem Mund entweichen, und spürte die Blasen auf meinem Gesicht. Also nichts wie hinterher! Ich strampelte um mein Leben. Wenige Sekunden später kam ich oben an. Ringsum gespenstische Stille, doch der Mond schien so hell, dass ich die Landschaft erkennen konnte. Ich war nur rund sieben, acht Meter von dem Steilhang entfernt, über dessen Kante ich gestürzt war. Dann hielt ich vorsichtig Ausschau nach dem Menschen, der versucht hatte, mich umzubringen – ich wusste, dass dafür nur Tester junior in Frage kam. Allerdings konnte ich weit und breit niemanden entdecken.
Der Boone Lake ist ein Bergsee, und das Wasser war eiskalt. Meine Zähne fingen an zu klappern, und ich spürte in den Händen und Füßen ein Kribbeln. Deshalb musste ich unbedingt so schell wie möglich aus dem Wasser heraus. Also schwamm ich ans Ufer, hielt mich an einem Strauch fest, der über dem Wasser hing, und zog mich auf einen Felsvorsprung. Dort blieb ich ein paar Minuten sitzen, atmete tief durch und versuchte, mir Klarheit über meine Situation zu verschaffen. Gesundheitlich hatte ich offenbar keine größeren Schäden davongetragen. Mir taten zwar die Rippen weh und auch die Brust, aber es schien nichts gebrochen zu sein. Auch die Arme und Beine konnte ich normal bewegen, und es bereitete mir auch keine Probleme, die Hände zur Faust zu ballen. Ich betastete mein Gesicht und sah, dass meine Finger sich rot verfärbt hatten. Offenbar hatte ich über dem linken Auge eine Wunde. Die fragliche Stelle war zwar druckempfindlich und bereits etwas angeschwollen, doch bedrohlich war die Verletzung wohl nicht. Als ich den steilen Hang hinaufblickte, begriff ich erst, wie tief ich mit dem Wagen abgestürzt war. Reines Glück, dass ich noch am Leben war. Es dauerte mindestens zehn Minuten, bis ich den felsigen Hang hochgeklettert war und wieder die Straße erreicht hatte. Oben blieb ich mehrere Minuten im Gestrüpp am Straßenrand sitzen. Ein paar Autos fuhren vorbei, doch ich hatte Angst, dass Tester noch mal auftauchen würde. Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und erhob mich zu voller Größe. Dann ging ich die Straße entlang. Ich wusste, dass es ungefähr anderthalb Kilometer entfernt ein paar Häuser gab. Schon nach wenigen hundert Metern bereute ich, dass ich meine Schuhe weggeworfen hatte.
Ob Tester glaubte, dass er mich tatsächlich umgebracht hatte?, dachte ich, während ich auf nassen Socken und mit blutverschmiertem Gesicht die Straße entlangging. Und was ist mit Caroline und mit Lilly? Ich spürte, wie mein Puls sich beschleunigte, und fing an zu laufen.
Kurz darauf erreichte ich ein Farmhaus, das ungefähr hundert Meter abseits der Straße lag. In dem Haus brannte fast in sämtlichen Räumen das Licht. Als ich die Stufen zur Veranda hinaufging, sah ich an mir herunter und stellte fest, dass mein Hemd vorn blutdurchtränkt war. Ich überlegte, wie die Leute wohl reagieren mochten, wenn plötzlich ein blutverschmierter Fremder barfuß, aber mit Krawatte vor ihrer Tür stand.
Ich klopfte an die Tür. Irgendwo in dem Haus schlug ein Hund an. Dann erschien eine etwa siebzigjährige Frau hinter der Verandatür. Sie zog den Vorhang beiseite und musterte mich durch ihre ovalen Brillengläser. Ihr graues Haar war zu einem Knoten zusammengerafft. Auf ihrem Gesicht erschien ein Ausdruck des Entsetzens, anscheinend sah ich noch schlimmer aus, als ich mich fühlte.
»Was wollen Sie?«, fragte sie streng.
»Ich habe einen Unfall gehabt«, sagte ich. »Könnte ich vielleicht bei Ihnen telefonieren?«
»Sind Sie betrunken?«
»Nein, überhaupt nicht.«
Sie musterte mich von oben bis unten. »Aber Sie sind ja ganz nass, und Schuhe haben Sie auch keine an. Wo haben Sie denn Ihre Schuhe gelassen?«
»Im See«, sagte ich. »Mein Wagen ist in den See gestürzt, und ich musste an Land schwimmen.«
»Dann sind Sie also mit dem Auto in den See gefahren? Wie kommen Sie denn auf die Idee?«
»Das war natürlich keine Absicht, sondern ein Unfall. Bitte, könnten Sie mir kurz das Telefon herausreichen. Ich wäre Ihnen sehr verbunden.«
»Sie bluten ja wie ein angestochenes
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