Engelsstimme
Hose.«
»Weißt du, was aus den Beständen geworden ist?«
»Den Beständen?«, sagte Marian Briem.
»Den Platten.«
»Sind wahrscheinlich in die Konkursmasse eingegangen. Ist das nicht immer so bei Konkursverfahren? Ich habe mit Verwandten von diesem Gunnar gesprochen, er hat zwei Söhne. Die Firma hat nie sehr viel herausgegeben, und sie waren bass erstaunt, als ich danach gefragt habe. Niemand hat sich in den letzten Jahren nach der Firma erkundigt. Gunnar starb in der Mitte der neunziger Jahre, und sie sagen, dass er außer Schulden nichts hinterlassen hätte.« »Hier im Hotel ist ein Mann, der Platten mit Choraufnahmen sammelt, mit Knabenchören und Chorknaben. Er hatte vor, sich mit Guðlaugur zu treffen, aber daraus wurde dann nichts. Ich überlege, ob diese alten Platten irgendeinen Wert haben. Wie kann ich das in Erfahrung bringen?«
»Unterhalte dich mit Sammlern«, sagte Marian. »Oder möchtest du, dass ich mich darum kümmere?«
»Ja ja, aber vielleicht noch etwas. Kannst du einen Mann namens Gabríel Hermannsson ausfindig machen, der in den siebziger Jahren den Kinderchor von Hafnarfjörður geleitet hat? Wenn er noch lebt, steht er bestimmt im Telefonbuch. Ich habe hier eine Plattenhülle, da ist er auch drauf, und er scheint mir so Mitte dreißig zu sein. Falls er tot ist, ist es natürlich hoffnungslos.«
»Das ist in der Regel so.«
»Was?«
»Wenn man tot ist, ist es hoffnungslos.«
»Eben.« Erlendur zögerte. »Wieso redest du vom Tod?«
»Nichts.«
»Stimmt was nicht?«
»Dank dir, dass du mir ein paar Brocken zuwirfst.«
»War es nicht das, was du wolltest? In diesem trostlosen Ruhestandsdasein ein bisschen was zum Rumschnüffeln zu haben?«
»Auf jeden Fall ist dieser Tag gerettet«, sagte Marian. »Hast du dich bereits mit dem Kortisol im Speichel befasst?«
»Ich habe es vor«, sagte Erlendur, und sie beendeten das Gespräch.
Der Empfangschef hatte ein kleines separates Büro hinter der Rezeption. Dort saß er und ging Papiere durch, als Erlendur zu ihm hereinkam und die Tür hinter sich zumachte. Der Mann stand auf und wollte protestieren. Er erklärte, keine Zeit zu haben, mit Erlendur zu reden, er sei auf dem Weg zu einer Besprechung, aber Erlendur setzte sich und verschränkte die Arme.
»Vor was fliehst du eigentlich?«, fragte er.
»Was meinst du damit?«
»Gestern war hier im Hotel die Hölle los, und du hast dich nicht blicken lassen. Du warst wie auf der Flucht, als ich an dem Abend mit dir sprach, als der Portier ermordet wurde. Und jetzt sitzt du auch wie auf glühenden Kohlen. Mir wurde gesagt, dass du Guðlaugur am besten gekannt hast. Du streitest das ab. Du behauptest, nichts über ihn zu wissen. Ich glaube, du lügst. Du warst sein direkter Vorgesetzter. Du solltest etwas mehr Kooperationsbereitschaft an den Tag legen. Es ist bestimmt kein Spaß, Weihnachten im Untersuchungsgefängnis zu verbringen.«
Der Empfangschef starrte Erlendur an und wusste augenscheinlich nicht, wie er reagieren sollte. Dann setzte er sich langsam auf seinen Stuhl.
»Gegen mich liegt nichts vor«, erklärte er. »Es ist völlig absurd zu glauben, dass ich das getan hätte. Dass ich in Guðlaugurs Kammer gewesen wäre und … ich meine, das mit dem Kondom und all das.«
Erlendur war alles andere als erfreut darüber, dass allem Anschein nach einige Details im Hotel durchgesickert waren und natürlich ein gefundenes Fressen für das Personal waren. Der Koch wusste ganz genau, warum die Speichelproben entnommen wurden. Der Empfangschef schien ebenfalls eine ziemlich klare Vorstellung davon zu haben, wie Guðlaugur aufgefunden worden war. Vielleicht hatte der Hotelmanager alles ausgeplaudert, oder vielleicht das Mädchen, das die Leiche entdeckt hatte, vielleicht auch die Polizisten.
»Wo warst du gestern?«, fragte Erlendur.
»Ich war krank«, sagte der Empfangschef. »Ich war den ganzen Vormittag zu Hause.«
»Du hast niemandem Bescheid gesagt. Bist du zum Arzt gegangen? Hat er dir ein Attest ausgestellt? Kann ich mich mit ihm unterhalten? Wie heißt er?«
»Ich bin nicht zum Arzt gegangen, ich habe nur im Bett gelegen. Mir geht es inzwischen besser.« Er versuchte krampfhaft zu husten. Erlendur lächelte. Der Empfangschef war der armseligste Lügner, der ihm jemals untergekommen war.
»Warum lügst du mir was vor?«
»Gegen mich liegt nichts vor«, wiederholte der Empfangschef. »Dir fällt nichts Besseres ein, als mir zu drohen. Ich will, dass du mich in Ruhe
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