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Engelsstimme

Engelsstimme

Titel: Engelsstimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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mageren Mann. Er schien um die dreißig zu sein. Erlendur überlegte, ob es der Hotelmanager war, der diesen Eindruck bestärkte, denn neben diesem Mann musste jeder klapperdürr wirken.
    »Da bist du ja«, sagte der Hotelmanager. »Es hat bald den Anschein, als ob ich diese Ermittlung hier führe. Ich mache Zeugen für dich ausfindig und was weiß ich noch alles.«
    Er schaute seinen Angestellten an.
    »Sag ihm, was du weißt.«
    Der Mann begann zu erzählen. Und er tat dies ziemlich ausschweifend und detailreich. Gegen Mittag habe er sich unwohl gefühlt, also, an dem Tag, als Guðlaugur tot in seiner Kammer gefunden worden war. Es sei ihm so schlecht geworden, dass er sich übergeben musste, und er habe es gerade noch bis zum Abfalleimer in der Küche geschafft. Der Mann schaute verlegen zum Hotelmanager hinüber.
    Danach hätte er die Erlaubnis erhalten, nach Hause zu gehen, wo er sich mit einer schlimmen Grippe, Fieber und Gliederschmerzen gleich ins Bett legte. Er lebte allein und hatte keine Nachrichten gehört und deswegen niemandem gegenüber erwähnt, was er wusste. Erst heute Morgen, als er wieder zur Arbeit erschienen war, hatte er von Guðlaugurs Tod erfahren. Und es hatte ihm in der Tat einen schweren Schock versetzt, als er hörte, was passiert war, obwohl er den Mann nicht sonderlich gut gekannt hatte – er arbeitete erst seit einem Jahr hier –, trotzdem hatte er manchmal mit ihm gesprochen und war sogar auch in seiner Kammer da unten gewesen …
    »Ja, ja, ja«, sagte der Hotelmanager ungeduldig. »Das interessiert uns nicht, Denni. Los, weiter.«
    »Bevor ich an dem Tag nach Hause ging, kam Gulli in die Küche und fragte, ob ich ihm ein Messer borgen könnte.« »Wollte er sich ein Messer aus der Küche ausborgen?«, fragte Erlendur.
    »Ja. Zuerst wollte er eine Schere, aber als ich keine finden konnte, habe ich ihm ein Messer gegeben.«
    »Wozu brauchte er eine Schere oder ein Messer, hat er dir das gesagt?«
    »Es hatte etwas mit dem Weihnachtsmannkostüm zu tun.« »Mit dem Weihnachtsmannkostüm?«
    »Er sagte nicht Genaueres, irgendwelche Nähte, die er auftrennen wollte.«
    »Hat er das Messer zurückgebracht?«
    »Nein, nicht solange ich noch da war, aber dann bin ich mittags weg und weiß nicht, was danach passiert ist.«
    »Was für ein Messer war das?«
    »Er sagte, dass es scharf sein müsste«, erklärte Denni.
    »Es war so eins wie dieses hier«, sagte der Hotelmanager, langte in eine Schublade und zog ein Steakmesser mit Holzschaft und fein gezähnter Klinge hervor. »Das sind Messer, die wir für Gäste haben, die sich unsere großen Steaks bestellen. Hast du die schon probiert? Exzellent. Die Messer schneiden sie wie Kuchenteig.«
    Erlendur nahm das Messer entgegen und sah es sich an. Er überlegte, ob Guðlaugur wirklich selber seinem Mörder die Waffe, mit der er umgebracht worden war, besorgt haben könnte. Ob das mit der Naht am Kostüm womöglich nur ein Vorwand gewesen war. Vielleicht hatte Guðlaugur in Wirklichkeit jemanden in seiner Kammer erwartet und das Messer zur Hand haben wollen; oder hatte das Messer nur auf dem Tisch bei ihm gelegen, weil er es für das Kostüm brauchte, und war der Angriff urplötzlich und unvorbereitet gekommen, wegen irgendetwas, was in dem Raum vorgefallen war? Das hieße, der Angreifer wäre also nicht bewaffnet in die Kammer gekommen und hätte nicht vorgehabt, Guðlaugur umzubringen.
    »Das Messer muss ich behalten«, sagte er. »Wir müssen herausfinden, ob die Klinge und die Größe zu den Wunden passen. Ist das in Ordnung?«
    Der Hotelmanager nickte zustimmend.
    »Ist es nicht dieser Engländer? Oder habt ihr irgendjemand anderen im Visier?«
    »Ich möchte mich noch etwas mit Denni hier unterhalten«, sagte Erlendur, ohne auf seine Fragen einzugehen.
    Der Hotelmanager nickte wieder, rührte sich aber nicht von der Stelle. Dann erst wurde ihm klar, was Erlendur meinte, und er schaute ihn beleidigt an. Er war es gewohnt, dass sich alles um seine Person drehte und hatte nicht sofort begriffen. Als der Groschen endlich gefallen war, gab er vor, etwas im Büro zu tun zu haben, und setzte sich geräuschvoll in Bewegung. Denni atmete sichtlich auf, als sein Vorgesetzter nicht mehr anwesend war. Seine Erleichterung währte nicht lange.
    »Bist du in den Keller gegangen und hast ihn erstochen?«, fragte Erlendur.
    Denni schaute drein wie jemand, der schon rechtskräftig verurteilt worden war.
    »Nein«, sagte er zögernd, so als sei er sich

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