Engelstanz: Dunkle Verlockung Teil 3 (German Edition)
direkten Mann. Er war nicht wie die Gelehrten, mit denen sie den Großteil ihrer Zeit verbrachte, und auch nicht wie die tödlichen Erzengel. Raphael, der seine Macht zu einer grausamen Klinge geschliffen hatte, war von diesem Mann so verschieden wie Jessamy von Michaela. Diese intrigante, intelligente Engelsfrau herrschte über ein kleines Territorium, aber ihre Kraft war so intensiv geworden, dass die atemberaubende Unsterbliche gewiss schon sehr bald in den Kader aufgenommen werden würde.
»Du solltest dich ausruhen«, sagte er, als sie nichts mehr erwiderte.
Sie schaute ihn finster an. »Ich bin älter als du, Galen.« Obwohl sie zerbrechlich wirkte, konnte sie lange ohne Schlaf auskommen. »Vielleicht bist du derjenige, der sich nach diesen Strapazen ausruhen sollte.«
Ein Ruck ging durch den gleichmäßigen Rhythmus der Muskeln und Sehnen, eine kurze Pause, in der er ihren Blick auffing. Seine Augen wirkten wie seltene, kostbare Juwelen und schienen direkt in ihre Seele zu blicken. »Möchtest du, dass ich das Bett mit dir teile, Jessamy?«
5
»Nein!« Das kam wie ein Krächzen raus, und weil sie sich ärgerte, dass er sie so aus dem Konzept gebracht hatte, behauptete sie: »Ich habe keine fleischlichen Gelüste.« Doch dieses träge innere Feuer, das sie in genau diesem Moment erhitzte, strafte ihre Worte Lügen.
Galen stemmte sich hoch, kam mit einer geschmeidigen Bewegung, die man seinem massigen Körper kaum zugetraut hätte, auf die Füße und strich sich das Haar zurück. Dann trat er einen Schritt auf sie zu. Noch einen. Und noch einen. Bis sie glaubte, er wollte sie gegen die Wand drängen. Doch als nur noch ein Lufthauch zwischen ihnen war, blieb er stehen. Sein dunkler, heißer, potenter Duft überwältigte ihre Sinne. »Bist du sicher?« Er streckte die Hand aus und ließ sie über die Wölbung ihres rechten Flügels gleiten; ihre langen Haare verdeckten den verformten linken Flügel.
»Selbst an Titus’ Hof«, sagte sie und kämpfte gegen das quälende Behagen an, das sich auf ihrer Haut langsam ausbreitete, »wäre dein Verhalten inakzeptabel.« Diese Berührung war nur einem Geliebten gestattet.
Er ließ die Hände sinken und hob eine Braue. »Wenn du keine fleischlichen Gelüste hast« – eine Herausforderung – »hat es nichts zu bedeuten.«
»Die Empfindlichkeit dieses Körperteils entspringt nicht ausschließlich den niederen Trieben.« Es machte ihr Angst, welch heftiges Verlangen er in ihr schürte und wie mühelos er die Abwehr niederriss, die sie in der endlosen Ewigkeit ihrer Existenz aufgebaut hatte. Er hatte ja keine Ahnung, was er da von ihr verlangte.
Zweitausendsechshundert Jahre lang war sie allein gewesen, gefangen in der Zufluchtsstätte. Sie hatte für sich einen Weg finden müssen, um zu überleben, um mehr zu sein als nur ein Gespenst, das am Rand des Lebens anderer dahinvegetierte. Sie hatte etwas aus sich gemacht – eine Frau, die von Erwachsenen respektiert und von ihren Schülern geliebt wurde. Es war kein ruhmreiches Leben, aber es war um vieles besser als die qualvolle Existenz ihrer Jugendzeit.
Sollte sie dieses kleine Glück, das sie gefunden hatte, riskieren und den Sprung ins Ungewisse wagen? Sollte sie darauf vertrauen, dass dieser Krieger – dieser Fremde, der auch gleichzeitig kein Fremder war – sie auffing? Es war eine ungeheuerliche Bitte … Und doch wusste sie, noch während sie das dachte, dass sie vielleicht bereit wäre, diesen Preis zu zahlen, wenn sie dafür die Chance bekam, Galen mit Leib und Seele kennenzulernen. Denn dieser Mann sah sie nicht einfach nur an, er sah in sie hinein .
»Und trotzdem«, sagte er und ging damit auf ihr Argument ein, als sie ihre Worte schon beinahe vergessen hatte, »wird diese Zärtlichkeit nur zwischen Liebenden ausgetauscht.« Daraufhin ging er zu dem Hocker hinüber, neben dem er sein Schwert abgelegt hatte, setzte sich und nahm die Waffe zur Hand, um sie mit einem weichen Tuch zu reinigen.
Sie wollte ihn schütteln, diesen großen Brocken von einem Mann, der glaubte, in allem recht zu haben. »Denkst du, du hast gewonnen?« Weißt du, was du mir antust? Welche Wunden du mir zufügst?
Langsam und gleichmäßig strich er über das schimmernde Metall. »Ich glaube, wir sollten herausfinden, was an deinem Wissen so wichtig ist, dass dir jemand deswegen nach dem Leben trachtet.«
Die Kälte, die sie beinahe hinter sich gelassen hatte, drang ihr wieder in die Knochen. Sie rieb sich die Arme, die von
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