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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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durch ihn hindurchzuschießen schien.
    Ubu trank ein paar Sharps, während die Syster durch ein weiteres Lied stolperten. Danach fragte er, ob er an den Keyboards einsteigen könne, spielte vierhändig und gab den System eine Richtung für ihr Unvermögen. Seine schräge Synästhesie verwirrte sie. Ihr betrunkenes Getaumel um seine stampfenden, atonalen Akkorde steigerte seinen Spaß nur noch mehr.
    Im letzten Moment fiel ihm seine Verabredung mit Magda wieder ein. Unter dem lautstarken Protest der Syster, die behaupteten, sie würden gerade kapieren, was er da spielte, machte er den Platz am Synthesizer frei. An der Bar kaufte er sich einen Zerstäuber mit Rot Vier, zog sich gerade soviel in die Nase, daß seine Intensität messerscharf wurde, und machte sich auf den Weg zur Shuttle-Haltestelle.
    Er grinste, als er Magda in einem rotsilbernen Gegenstück des kurzen Rocks, den sie im Klub getragen hatte, am Bahnsteig stehen sah. Ihre Ohrstecker waren rot, damit sie dazu paßten, geschliffene Impaktrubine, die pro Stück ein halbes Pfund gewogen haben mußten. Sie hatte eine Schultertasche umhängen. Ubu kam zu dem Schluß, daß es ihm Spaß machen würde, bei der kaum vorhandenen Schwerkraft in der Nähe dieses Rocks zu sein. Ihre Freundin war eine größere, dunkelhäutige Frau etwa im gleichen Alter; ihre langen, glatten Haare waren silbern gefärbt, und sie hatte eine runde Brille auf der Nase, deren geschwärzte Gläser so undurchsichtig wie Münzen waren. Sie trug eine helle Seidenbluse über einer Kniehose, dazu Seidenstrümpfe und massenweise Silberschmuck. Ihr Kastenzeichen war rot, ihre Ohrstecker türkis. »Das ist Kamala«, sagte Magda. Kamala sah ihn an und brach in Gelächter aus.
    Ubu wandte sich an Magda. »Irgendwas nicht in Ordnung?«
    Magda begann ebenfalls zu lachen. »Wir sind bloß gut drauf, das ist alles.«
    Ubu grinste. »Ich auch.« Er stieß sich mit den Zehen ab, sprang hoch, drehte sich in der Luft und landete wieder. Kamala krümmte sich vor Lachen. »Nach euch«, sagte Ubu.
    Der kurze Rock enthüllte die frohe Botschaft, daß Magdas Unterwäsche sehr klein und hellblau war. Magda, die in dem Versuch, ihre Massenträgheit unter Kontrolle zu bekommen, mit Armen und Beinen wild um sich schlug, erkannte die Nachteile ihres Kostüms ziemlich bald. Dauernd purzelten ihr irgendwelche Sachen aus der Schultertasche. Als sie ein böses Gesicht zu machen begann, nahm Ubu sie an der Hand und führte sie.
    Er brachte sie zu einem Laden namens Black Runner, den er kannte. Er war nach einem legendären Schmuggler benannt und hatte verschrammte schwarze Tempaschaumwände. Es gab eine wellige Spiegeldecke, farbige Scheinwerfer und eine Tanzfläche mit Griffstangen, die mit schweren Stahlbolzen an der Decke befestigt waren. Es waren nur ein paar Leute da, aber Ubu wußte, daß es gleich nach Schichtende voll werden würde.
    Ubu blieb bei Sharps, spritzte sich eine kleine Dosis nach der anderen in den Rachen. Magda bestellte etwas namens Sindhu Slush, was der Barmann in seinem Computerhandbuch nachschlagen mußte. Es stellte sich heraus, daß es dick und rot war. Kamala schlürfte Kronsbeerensaft und brach immer wieder willkürlich in Gelächter über Dinge aus, die niemand sonst sehen konnte.
    Gäste kamen herein. Hauptsächlich Syster, ab und zu auch ein paar Shooter und Dockarbeiter.
    »Nicht zu glauben, wovon man hier oben high werden kann«, sagte Magda.
    »Shooter sind manchmal monatelang von jeder medizinischen Versorgung abgeschnitten«, sagte Ubu, »da müssen wir unbeschränkten Zugang zum Medikamentenschrank haben.«
    »Nicht bei uns unten«, sagte Magda. »Die Hälfte der Leute praktiziert diese Disziplin namens – also, die Übersetzung aus dem Sanskrit lautet Aufrichtigkeit und Mäßigung, was im Grunde heißt, daß sie überhaupt nichts machen, um Spaß zu haben. Sie spielen nicht, trinken nicht und nehmen so gut wie keine Drogen. Höchstens Haschisch, und von dem Zeug schlaf ich bloß ein.«
    Kamala lachte wieder. Magda warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. »Zeig Ubu deine Augen, Kamala«, sagte sie.
    Kamala nahm ihre Brille ab. Ihre Pupillen waren fast so groß wie die Gläser. Ubu starrte sie an, und sie brach erneut in Gelächter aus. Ubu konnte ihre Backenzähne sehen.
    »Sie ist meine Anstandsdame, kannst du dir das vorstellen?« sagte Magda. Kreisende Scheinwerfer färbten die Brillanten in ihren Haaren erst golden und dann azurblau. Die Rubinstecker in ihren Ohrläppchen leuchteten

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