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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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sich, ob es Pasco genauso gegangen war, ob er in die gleiche gewaltige, alles verschlingende Singularität geschaut hatte, bis er nichts anderes mehr sehen konnte, bis ihm nur noch die Möglichkeit geblieben war, den Verstand zu verlieren …
    Ihr Getränk hinterließ den Geschmack von kaltem Eisen in ihrem Mund. Sie stand auf, entschuldigte sich, verließ die Bar und trat auf die Metallstraße hinaus. Essensgerüche und der Klang von Musik regneten auf sie herab, als sie auf der Straße um die Station herumging.
    Ubu und sie würden überleben, dachte sie. Sie hatten jetzt die Reserven dafür, das finanzielle Polster. Fast alles andere würde verschwinden oder verwandelt werden. Die Syster würden am längsten überleben, weil sie Rohstoffe von Asteroiden oder kahlen Monden transportierten und ihr Dasein in ökonomischen Randbereichen fristeten, an denen die Hiliner kein Interesse hatten; aber sie waren keine Shooter, sie würden niemals die knisternde Elektrizität des Jetzt spüren, während sie ein Schiff in das unergründlich tiefe, kreischende Herz eines schwarzen Lochs und wieder heraus führten … Alle überlebenden Shooter würden von der Hiline-Kultur geschluckt werden. Sie würden das Jetzt kennen, aber nicht in ihm leben können.
    Tränen machten sie blind. Sie taumelte von der Straße, lehnte sich an eine senkrechte Fläche aus Tempaschaum, die kürzlich mit einer frischen Schicht schwarzer Farbe gestrichen worden war. Schmerz zerriß ihr die Brust.
    Wieso jetzt? dachte Maria. So ein Blödsinn, jetzt zu trauern, wo du’s doch schon die ganze Zeit gewußt hast.
    Dann erkannte sie, daß es daran lag, daß sie dieser Welt entwachsen war. Wenn Ubu und sie zusammen mit allen anderen untergingen, war es sinnlos zu trauern. Wer betrauert schon seinen eigenen Tod? Aber die Runaway war jetzt gerettet; dennoch konnte sie ihr eigenes Milieu nicht am Leben erhalten.
    »Sexshow live, Shooterfrau. Zwanzig. Fickificki, alles live. Fünfzehn für dich.«
    Sie blinzelte und strich sich die Haare zurück, sah sich in Kopfhöhe um und senkte dann den Blick. Der Anreißer war ein alter Mutanto-Shooter mit einem zweiten Armpaar, das in den Hüftgelenken angebracht war. Die unteren Arme waren zusammengefaltet, und die Ellbogen steckten in den oberen Achselhöhlen. Seine knotigen Finger lagen gespreizt auf der Metallstraße.
    Der Mutanto war so fertig, daß er nicht einmal aufstehen konnte. Das Clubmanagement hatte ihn in den Eingang gelehnt. Welche Drogen es auch gewesen sein mochten, die seinen Gleichgewichtssinn und seine Koordination zerstört hatten, sie hatten auch sein Sehvermögen beeinträchtigt; er visierte irgendeinen Punkt rechts von ihr an.
    »Heiße Nummer«, sagte er. »Alles echt. Fickificki live.« Sein Gesicht nahm einen hoffnungsvolleren Ausdruck an. »Pillen. Astreiner Stoff, Shooterfrau. Blauer Himmel, kriegst ‘n Fimmel. Heiße Nacht mit Rot Acht. Sprays, Tabletten, was du willst. Nummer Neun, haut voll rein. Billiger als im Großhandel.«
    Die schöne Maria drehte sich um und ging weg. Kummer sang ein getragenes, volltönendes Klagelied in ihrem Kopf.
    Soviel zum Feiern, dachte sie.

    Bleierne Tage vergingen. Das Marinegericht brauchte etwa zehn Minuten, um ihren Fall zu den Akten zu legen. Maria und Ubu brauchten erheblich länger, um die Nachrichtenfax-Reporter loszuwerden, die sich um sie drängelten, als sie das Gericht verlassen wollten. In ihrer Abwesenheit versuchte jemand, sich Zugang zur Runaway zu verschaffen; er schlich sich an den Ladern vorbei, um durch das Tor zur Ladebucht ins Schiff zu gelangen. Der Eindringling mußte sofort gewußt haben, daß er Alarm ausgelöst hatte, denn als der alarmierte Wachtposten aus dem Personenzugang in die Ladebucht sprang, begegnete er dem anderen, der in der Gegenrichtung heraussprang. Der Wachtposten versuchte, ihn mit einem Autohomer zu treffen, aber die Kugel grub sich statt dessen in einen Behälter mit Orange Siebzehn und setzte schimmernde Ballons des Hormons in die Atmosphäre des Docks frei. Die Intelligenz der Arbeiter, die die Autolader bedienten, mußte um zehn Punkte gestiegen sein, bis das ganze Zeug beseitigt war. Der Eindringling entkam in einer gestohlenen Reparaturkapsel, die er an einer Stationsschleuse geparkt hatte.
    Ein paar Tage später verstummten die Autolader auf 17A, als die letzten pharmazeutischen Präparate ins Lager rollten. Die Runaway verließ das Dockmodul und blieb an dem ihr zugewiesenen Platz zwei Meilen von der

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