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Engelstation

Engelstation

Titel: Engelstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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Kreditjeton hoch.
    »Ich muß morgen vor Gericht erscheinen, und da muß ich gut aussehen.«
    Der Asiat legte den Kopf schief und überlegte. »Kein Problem«, sagte er.
    Maria lächelte.
    Helle Laser tanzten rasch über ihren Körper und maßen seine Konturen. Maria suchte sich das Material aus und entschied sich für einen bestimmten Stil, und Maschinen im hinteren Teil des Ladens schnitten Stoff, legten ihn zusammen und vernähten die Nähte auf kostspielige Weise, statt sie einfach zu verschweißen. Es dauerte nicht einmal eine Stunde.
    Und das einzige, was schließlich dabei herauskam, war Die Uniform: ein kurzärmeliges hellblaues Hemd mit einem dunkelblauen Stehkragen, eine kragenlose Jacke mit Klettstreifen auf den Taschen, schwarze Samtslipper und Röhrenhosen, die in zwei verschiedenen Grauschattierungen gestreift waren. An den Orbit angepaßte Mudville-Kleidung, von der alle Reißverschlüsse und Knopflöcher entfernt worden waren, damit man im freien Fall nicht irgendwo hängenblieb. Sie betrachtete sich im Spiegel und sah plötzlich vor ihrem geistigen Auge, wie sie in mehr oder weniger den gleichen Klamotten durch die Tür des Monte Carlo gegangen war, wie ihre Nerven vor Angst gesummt hatten, während sich ihr Verstand mit den Regeln von Rouge-et-noir abgemüht hatte. Der Zutritt zu einem Leben, das sie bis dahin nur aus Illustreifen kannte.
    Und jetzt würde sie die gleiche Welt von neuem betreten.
    Der Asiat schien doch enttäuscht zu sein, als sie beschloß, die neuen Sachen nicht gleich anzuziehen. Er legte sie ordentlich zusammen und packte sie in eine Schachtel aus blaßgrünem, wiederaufbereitetem Kunststoff.
    Die schöne Maria ging mit der Schachtel zur Runaway zurück. Zwölf hörte in seinem Raum Dolores-Musik und lernte Melange-Texte; Ubu schlief in seiner Kabine, wie sie feststellte. Sie schob die Schachtel unter ihr Bett und ging in den Salon. Vielleicht würde sie sich einen der neuen Illustreifen ansehen.
    Die Abrazo wird bald hier sein, dachte sie. Die Erinnerung kam plötzlich und unerwartet. Sie fragte sich, ob Kit noch sauer auf sie war.
    Sie rief einen Illustreifen auf und begann ihn sich anzusehen. Die Figuren lebten alle in Mudville und wirkten undurchsichtig, und die Motivation für ihre Handlungen war nebulös. Sie fragte sich, ob es ein schlechter Illustreifen war oder ob sie ihn bloß nicht verstand.
    Das Videofon gab einen Piepton von sich, und Maria hielt den Illustreifen an. Sie langte hinter sich, zog die Kontrolltafel aus ihrem Schlitz in der Wand herunter, stellte eine Verbindung zur Kommunikationseinheit her und schaltete das Videofon auf die Holoschirme und die Lautsprecher im Salon.
    »Ist Ubu da?«
    So sieht sie also aus, dachte Maria.
    Eine schwarze Frau, die langen Haare straff zurückgekämmt und hinten buschig. Glanzlose Augen. Merkwürdige durchbohrte Ohrläppchen, die ihr fast bis auf die Schultern hingen; sie baumelten leer herab und verdrehten sich wie lose Stricke. Das Gesicht eines verhätschelten Kindes, mit einem verdrossenen Ausdruck darauf. Es paßte ihr ganz eindeutig nicht, daß jemand anders als Ubu an den Apparat gegangen war.
    Na schön. Sie war der Typ, zu dem ein teures Parfüm paßte. Vielleicht hatte sie nicht mal Läuse.
    »Der Schiffsführer ist im Moment nicht zu sprechen«, sagte Maria.
    »Sagen Sie ihm, daß Magda angerufen hat. Mir ist der Name des Ladens wieder eingefallen. Er heißt Surat. Können Sie ihm das ausrichten?«
    »Ja.«
    »Wir treffen uns da um sechzehn Uhr.«
    »Ist aufgezeichnet.«
    Maria stellte den Anruf in Ubus Kabine durch. Er konnte ihn sich ansehen, wenn er aufwachte. Sie fragte sich, ob sie die Nacht wieder auf der Runaway verbringen und auf Ubus Rückkehr warten würde – darauf, daß sie auch mal feiern konnte.
    Laser-Interferenzen tanzten in der Luft. Marias Herz setzte für einen Schlag aus. Sie wandte den Blick ab.
    »Wo ist Kitten? Wo ist sie hingegangen?«
    Pascos Stimme. Sie merkte an seinem Ton, daß er fast am Ende war, daß die Aufzeichnung seine seelische Verfassung in den letzten Augenblicken eingefroren hatte, als er auf seinen persönlichen Abgrund zugetaumelt war.
    Haß explodierte tief in ihrem Innern, stieg heiß wie Galle in ihrer Kehle nach oben. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Sie schaute zu dem unschlüssigen, zitternden Zerrbild ihres Vaters auf.
    »Jetzt reicht’s«, sagte sie.
    Er sah sie mit verwirrter Miene an. »Ich wollte eigentlich irgendwas sagen, aber ich hab’s vergessen.

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