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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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weg.«
    Seit man ihm seine Frau nach Hause gebracht hatte, versuchte er zu tun, was der Arzt ihm geraten hatte. Sie in Ruhe, aber nicht aus den Augen lassen. Zuhören und es aushalten, wenn sie schwieg. Darauf achten, dass sie genug trank. Besonders geschickt war er in diesen Dingen nicht, aber er tat sein Bestes.
    Der Deich versperrte die Sicht aufs Meer. Aber vom Strand schwappten Juchzen und Kreischen herüber. Spitze fröhliche Schreie. Geräusche wie aus einem Vergnügungspark. Näher konnte man nicht am Strand wohnen, noch dazu mit einem schmalen Pfad über die Dünenkuppe als Privatzugang. Dafür nahmen die Burgwalds in Kauf, dass ihr Bungalow eher einem weiß getünchten Schuppen glich.
    Sie saß mit dem Rücken zu ihnen, den Blick in den Himmel über dem Deich gerichtet. Burgwald legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. Trotzdem zuckte sie zusammen, als habe er sie erschreckt.
    »Die Polizei ist jetzt da. Sie wollen mit dir reden.« Er sprach mit leiser, behutsamer Stimme. »Meinst du...«
    »Lass nur, es geht schon.« Sie drehte sich unter seiner Hand weg, indem sie sich zu Schöbel und Pieplow umwandte. »Sie müssen schon mit den Plätzen hier draußen vorliebnehmen.« Sie machte eine einladende Geste zu zwei Gartenstühlen ihr gegenüber. »Drinnen ist es so eng, dass schon wir beide uns gegenseitig auf den Füßen herumstehen.«
    Das war keineswegs übertrieben. Durch das offene Fenster sah Pieplow zwei Betten, einen schmalen Tisch mit Kochplatte und Kaffeemaschine, in der Ecke neben der Tür ein winziges Waschbecken. Ein Quartier, wie es sie immer noch häufig auf der Insel gab. Eins für Leute, die nichts brauchten als ein Dach über dem Kopf und ein Bett für die Nacht. Für Urlauber wie die Burgwalds, denen die Insel das Wichtigste und alles andere nebensächlich war.
    Vorsichtig näherte sich Schöbel dem, was er wissen wollte. Stellte sich vor, verlor ein paar Worte über den sonnenwarmen Platz, an dem sie saßen, und ließ seine Blicke über die Wiese schweifen. Er erfuhr, dass die Burgwalds seit vierunddreißig Jahren hierherkamen. Jedes Jahr mindestens einmal und, solange noch ihr Junge mitgefahren war, sogar zu dritt. Immer in dieses Quartier, das tatsächlich ein Schuppen gewesen war und erst seit ein paar Jahren die großen Fenster hatte.
    »Wenn man jung ist und schlafen kann wie ein Murmeltier, ist das gar kein Problem.«
    Aber jetzt ist es eins, dachte Pieplow, als er sah, wie Siegfried Burgwald begütigend die Hand seiner Frau tätschelte. Jetzt schläft sie nicht mehr gut, und ihr fällt die Decke auf den Kopf, wenn sie wach liegt. Also läuft sie schon im Morgengrauen über die Insel.
    Ihm fiel auf, wie sehr sich die Burgwalds ähnelten. Beide groß und kräftig, beide mit vollen, wohlgenährten Gesichtern, in denen sich trotz der Bräune feine bläuliche Adern abzeichneten. Sein früher wohl schwarzes Haar war fast grau und hatte den gleichen Farbton wie ihr dauergewelltes, das sie mit einem breiten Band aus der Stirn hielt.
    »Aber Sie sind ja nicht hier, um sich nach Vorzügen und Mängeln unserer Unterkunft zu erkundigen«, sagte sie. Es klang, als habe sie einen Entschluss gefasst. Als sei sie es gewohnt, der Realität ins Auge zu sehen, und finde, es sei jetzt lange genug um den heißen Brei herumgeredet worden. Zeit, das Unvermeidliche hinter sich zu bringen.
    Um Viertel vor sechs, noch eher als sonst, war sie aufgebrochen und keiner Menschenseele begegnet. Hatte das Meer im Morgenlicht ganz für sich allein gehabt. Den Blick auf Møn, das im Dunst über der Horizontlinie zu schweben schien. Den Blick auf die Schiffe in der Fahrrinne nach Rostock. Sie war in die dämmrige Stille des Hochwalds getaucht und hatte kurz vorm Klausner ihre Route geändert.
    »Eigentlich wollte ich oben bleiben. Am Leuchtturm vorbei, über den Swanti zum Enddorn und dann auf den Bessin. Ich gäb was drum, wenn ich dabei geblieben wäre. Aber nein, ich musste ja ans Wasser …« In ihrem Blick zu Schöbel lag der Vorwurf, den sie sich selbst machte. Warum hatte sie sich entschieden, über die Klausner-Treppe hinunter ans Wasser zu gehen? Warum hatte sie keine Pause gemacht? Sich nicht auf einen der großen Steine gesetzt und sich von der aufkommenden Brise kühlen lassen?
    Warum war sie weitermarschiert, als versäume sie etwas Wichtiges, wenn sie nicht zügig vorankam? Über Geröll und Sandabbruch. Durchs Wasser, wo der schmale Strand unwegsam war. Am immer höher aufragenden Steilufer

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