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Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Engelstrompeten: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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gucken. So tun, als wäre nichts passiert.
    Ein Wunsch, den er sich abschminken musste. So viel war klar. Weil er hier im Moment der einzige Polizist war. Weil hinten, von Grieben her, die ersten bunten Tupfer auftauchten. T-Shirts in Farben der Saison. Türkis und Zitronengelb. Urlauber, die zügiger heranrückten, als ihm lieb sein konnte.
    Vielleicht kommt Kästner schnell genug zurück, dachte Pieplow. Er drehte kurz den Kopf und warf einen Blick hinter sich. Von Fritz Niemann und dem Professor war nichts zu sehen. Beruhigend, fand Pieplow. Und strategisch günstig, weil er Gaffer auch allein abwimmeln konnte. Solange er hier, am Anfang des Pfades, auf seinem Posten blieb, würde es nichts werden mit neu gierig und schau lustig. Dass er passend zu diesen Gedanken die Daumen in den Uniformgürtel hakte, ließ ihn noch entschlossener wirken.
    Während er ernst und nahezu reglos über die Ungestörtheit des Professors und dessen Arbeit wachte, gingen Pieplow die Ereignisse der letzten Stunde durch den Kopf. Ihre Koinzidenz, wie der Professor es ausgedrückt hatte.
    Da gab es kurz hintereinander zwei Tote. Und dann in Neuendorf, am anderen Ende der Insel, ein Kind, das unbedingt auf die Welt wollte. Drei Wochen vor der Zeit und ausgerechnet heute. Keine Chance also, dass der Inselarzt Zeit für eine Leichenschau hatte.
    »Und was machen wir jetzt?«, hatte Kästner ratlos gefragt. Zufall? Glückliche Fügung? Jedenfalls hatte der Professor nach zwei Brötchen mit Heidelbeergelee die Türklinke schon in der Hand, als zur gleichen Sekunde Kästner anrief.
    Selbstverständlich. Keine Frage. Wer, wenn nicht er, war der Richtige, den noch unbekannten Toten zu begutachten.
    »Da gibt’s nicht viel zu untersuchen.« Die Stimme des Professors riss Pieplow aus seinen Gedanken. »Sogar ich frage mich, was man für einen solchen Tod tun muss. Außer hoffen und wünschen gibt’s da wohl nicht viel. So was verdient man sich nicht. So was ist ein Geschenk.«
    Pieplow glaubte zu wissen, worauf Dahlke hinauswollte. »Ein natürlicher Tod also?«
    Der Professor nickte. Langsam, fast andächtig. »Ganz gewiss. Da bin ich mir so sicher wie ein alter Leichenzausel wie ich nur sein kann, um es mal ganz unwissenschaftlich zu formulieren. Vor gut einer Stunde hat sein Herz einfach den letzten Schlag getan, und gut. Ein schmerzloser erster Schritt auf die große Reise. Nicht mal die kleinen Kratzer am Kopf hat er noch gespürt. Die sind postmortal entstanden, als er nach hinten unter den Weißdorn gekippt ist.«
    »Aber warum hier?«, fragte Pieplow.
    »Warum nicht? Schauen Sie sich um. Die Weite, der Himmel, das wispernde Schilf – es gibt doch wahrhaftig schlechtere Plätze zum Sterben.«
    »Das meine ich nicht. Ich wüsste gern, weshalb der alte Niemann hier war. Er hatte ziemlich feste Gewohnheiten, und Spaziergänge am Bodden gehörten, soviel ich weiß, nicht dazu.«
    »Darauf eine Antwort zu finden, ist nun eindeutig Ihr Metier, mein lieber Pieplow. Ich für meinen Teil werde jetzt einen Spaziergang machen. Heim zu meinen Lieben, wenn’s recht ist. Dort erreichen Sie mich, wenn Sie wissen, wo ich die gründliche Leichenschau machen kann und soll. Denn dieser Platz ist zwar zum Sterben schön, aber für eine solide medizinische Arbeit doch eher ungeeignet.« Seinen schwarzen Koffer vertraute er Pieplow an, dann spazierte er mit elastischen Schritten davon, während aus der anderen Richtung der Streifenwagen heranrumpelte.
    Pieplow hätte sich denken können, was Kästner entschied, der lieber Wache stand und Chauffeur spielte als nach Kloster zu laufen und der Familie die Todesnachricht zu überbringen.
    »Das machst du. Du bist besser in so was«, lobte er großzügig, nachdem Pieplow ihn ins Bild gesetzt hatte. »Ich warte hier auf die Kripo und fahre die Herren dann zum Hafen zurück.«
    »Und wie kommen sie her?«
    »Mit Hübner. Er holt sie am Schnellboot ab und bringt sie mit.« Kästner grinste zufrieden. Das Bestatterfahrzeug als Polizeitaxi war seine Idee gewesen. Wo Mangel herrschte, war Improvisation alles, und schneller ließ sich auf Hiddensee kein Auto requirieren.
    »Na, dann«, sagte Pieplow und fügte sich in den Part, den Kästner ihm zugedacht hatte.
    Drei Kreuze würde er machen, wenn er es hinter sich hatte.

    »Du?« Zuerst lag nur Staunen in Bärbel Niemanns Gesicht, dann kam die Frage, die immer gestellt wurde, wenn unerwartet – mit ernstem Gesicht, die Dienstmütze rücksichtsvoll schon abgenommen –

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