EngelsZorn - Im Blutrausch
einer schönen Frau. Du wirst noch über deinen Büchern versauern!“, hielt ihm Nestor immer wieder vor. Er konnte nicht verstehen, dass Jean des Nachts lieber diese Unmengen von Büchern gewälzt anstatt eine Frau im Bett befriedigt hatte. Er hingegen hatte sich vorwiegend aus reinem Zeitvertreib an der Universität eingeschrieben. Das Studium selbst war ihm für dessen Zukunft nicht wichtig, da er nicht beabsichtigte, dadurch eines Tages seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wozu auch. Er hatte es nicht nötig. Das Geld war immer schon vorhanden gewesen und nichts sprach dagegen, in die sicheren Fußstapfen des eigenen Vaters zu treten. „Wieso soll ich arbeiten, wenn mein Alter Kohle ohne Ende hat? Jean, sei nicht so dumm! Du hast es doch erst recht nicht nötig, dich tagtäglich mit diesem Müll abzuplagen. Mach‘ es doch so wie ich! Lebe, Mann. Du verpasst so viel, mein Freund, glaub‘ mir!“, hatte Nestor eines Tages zu ihm gesagt. Jean war jedoch anderer Meinung. „Du machst es dir schon recht einfach, Nestor!“, hatte er ihm damals geantwortet. „Wenn es dich befriedigt, dein ganzes Leben lang nichts zu tun, außer das Geld deines Vaters zu verschwenden, dann tu‘ es. Mir langt es nicht! Ich will selbst was erschaffen. Ich will ein großartiger Arzt werden! Menschenleben retten. Was gibt es Schöneres? Ich will der Beste sein. Der Beste, verstehst du? Mir hängt es zum Hals raus, alles zu bekommen, was ich mir wünsche, ohne etwas, ich meine wirklich etwas dafür getan zu haben. Ich möchte meinen eigenen Jaguar fahren! Ich möchte sagen, dass ist meiner, nicht der meines Vaters! Ich möchte mein eigenes Geld verdienen und nicht das meines Vaters ausgeben! Ich möchte auf eigenen Füßen stehen. Ich will nicht nur der Sohn von ihm sein. Die Leute sollen mich achten, weil ich etwas bin und nicht, weil mein Vater es ist. Mir hängt es zum Hals raus, ständig bevorzugt zu werden, wenn ich meinen Namen sage. Man tut immer so, als stünde mein Vater vor ihnen. Für die bin ich doch nur Luft. Sie sind nur freundlich zu mir, um ihm zu imponieren. Ich will das nicht mehr! Ich will, dass man mich meinetwegen mag und nicht, weil ich zufällig sein Sohn bin. Ich hasse es, nur Sohn zu sein. Verstehst du das?“
„Du spinnst doch! Andere würden sich wünschen, unser Leben zu führen und du, du Narr, möchtest dich lieber in irgendeinem Krankenhaus abrackern! Nein, Jean, tut mir leid, aber deine Philosophie ist mir zu hoch. Die kann ich nicht verstehen! Wieso schuften, wenn es auch mühelos geht?“, hatte er ihm erwidert.
„War mir fast klar, dass du das niemals verstehen wirst!“
„Da gibt es nichts zu verstehen, Jean! Das ist purer Schwachsinn, was du erzählst. Wenn man Geld wie Heu hat, wieso sich aufs Feld stellen und Heu rechen!? Wieso? Weil es einen glücklich machen soll, das Heu mit den eigenen Händen zusammengerecht zu haben? Spinner. Sollen es doch die armen Schweine für uns tun! Wozu sind sie denn sonst auf dieser Welt! Dummkopf! Du hättest lieber Bauer werden sollen! Aber wer weiß, am Ende hättest du dir als Bauer wahrscheinlich dann dein jetziges Leben zurückgewünscht. Du armer Irrer! Wird endlich Zeit, dass du dir mal eine Frau anlachst. Die bringt dich dann wenigstens auf andere Gedanken. Du solltest wirklich mal vögeln, Jean! Das entspannt... und geil ist es übrigens auch! Wie alt bist du jetzt? Zwanzig? Und noch kein einziges Mal eine Frau im Bett gehabt! Unglaublich! Ich würde ja verstehen, wenn du scheiße ausschauen würdest und deshalb kein Weib abkriegst! Aber, hey Mann, das trifft doch bei dir nicht zu! Ich kenne Frauen, die sich die Finger nach dir ablecken würden. Brauchst nur mit dem Finger zu schnippen. Und das liegt jetzt bestimmt nicht an der dicken Brieftasche deines Alten. Du hättest dir schon längst mal eine krallen können, aber nein, du wälzt ja lieber stundenlang diesen Müll in dich hinein. Du bist schon die Krönung, das sag‘ ich dir!“ Nestor hatte ihm höhnisch ins Gesicht gelacht. Seine Freunde hielten ihn für einen Schönling. Das lag unter anderem an seiner blonden Haarmähne und seinen strahlend blauen Augen. Nestor hatte die besondere Gabe, sich eine Frau an jeder Ecke anzulachen. Sein attraktives Äußeres sowie die dicke Brieftasche seines Vaters hatten ihm hierbei immer leichtes Spiel gemacht. Oft brauchte er nur seinen guten Namen zu erwähnen und die Frauen lagen ihm zu Füßen. Dass er sie nur für seine Zwecke gebrauchte und danach
Weitere Kostenlose Bücher