Engpass
Gummibärchen«, ergänzt Anna. »Die liebe ich heiß.« Sie steckt sich einen ganzen Schwung davon in den Mund und beginnt selig zu kauen.
»Ich kann uns auch ’ne Pizza auftauen.« Dino scheint wild entschlossen, Pluspunkte zu sammeln.
Anna schüttelt den Kopf. »Nicht nötig«, murmelt sie kauend, setzt sich die Sonnenbrille auf und erhebt sich. »Kann man in eurem Teich auch schwimmen?«
»Klar! Hast du Lust drauf?«
»Nackt?« Annas Augen beginnen herausfordernd zu funkeln. Sie greift sich ans Top und lässt, gespielt keck, einen der Träger hinunterrutschen. Dann lacht sie.
Dino starrt sie mit geweiteten Pupillen an. Gerade so, als habe Anna sich bereits vor ihm ausgezogen. Als er merkt, dass sie seinen Blick und vielleicht sogar seine Gedanken mitbekommen hat, schaut er betreten zu Boden.
»Beruhig dich! War nur ein Scherz«, stellt Anna richtig. Sie schiebt sich den Träger wieder auf die Schulter und grinst. »Ich hab leider keine anständige Schwimmbekleidung mit. Also fällt Baden aus.«
»Schade.« Dino ist sichtlich enttäuscht.
»Aber Füße ins Wasser stecken geht doch, oder?« Anna rennt Richtung Teich davon.
Dino schiebt hastig seinen Stuhl zurück, rennt ihr hinterher.
Mitten in der Wiese bleibt Anna plötzlich stehen. Ihr Gesicht ist nach unten gewandt. Zuerst scheint sie wie gelähmt, steht nur da und starrt auf etwas, das ihre ganze Aufmerksamkeit einnimmt. Dann dreht sie sich nach Dino um und schreit.
18. Kapitel
Als er bei ihr ist, sieht er den Hund. Reglos liegt er da. Den Körper wie aufgebahrt. Mitten im Rasen. Ein flaches, dunkelbraunes Fellgebilde. Umgeben von blutigem Erbrochenen.
»Scheiße!« Anna schaut Dino erschrocken an und nimmt die Sonnenbrille ab. »Was ist mit dem? Hat der was Falsches gegessen oder so?«
»Keine Ahnung.« Dino beugt sich vorsichtig zu Hasso hinunter, um ihn sich näher anzusehen. Was er entdeckt, lässt ihn schaudern. Der Körper des Tieres ist von Blutergüssen übersät. Sein Hinterteil liegt in einer einzigen blutigen Masse. »Durchfall«, erklärt Dino, als er zu Anna hochblickt.
»Wir müssen einen Tierarzt holen!«, verlangt die.
»Blödsinn.« Dino ist aufgestanden. Er starrt Anna hilflos an. Seine Stimme ist ernst, fast durchdringend, als er spricht. »Der ist längst tot.«
Degenwald fühlt fast körperlich, wie ihn der Erfolg verlässt. Auf der Suche nach Martin Engelhardt, Götz Bramlitz’ Alibi, gerät er in eine Sackgasse. Der Mann ist weder in der Brauerei anzutreffen noch zu Hause. Er sei im Urlaub. Malediven, erfährt Degenwald im Personalbüro.
»Urplötzlich? Davon hat Herr Engelhardt mir nichts gesagt, als wir miteinander telefoniert haben.« Degenwald kratzt sich seine Bartstoppeln. Am Morgen war keine Zeit für eine Rasur geblieben, weil er verschlafen hatte. Er überlegt kurz, was als Nächstes zu tun ist.
»Hat Herr Engelhardt den Urlaub fristgerecht angemeldet?«
Die Sekretärin schaut ihn irritiert an. Sämtliche Fragen, die ihr in dem Moment einschießen, stehen ihr ins Gesicht geschrieben.
Degenwald bekommt Mitleid. »Also nicht«, antwortet er an ihrer Stelle. »Malediven, im September? Kostet eine Kleinigkeit. Und das von einem Tag auf den anderen. Werden Sie hier so gut bezahlt, dass Sie sich das mal eben so leisten können? Und, was mich nicht minder brennend interessieren würde: Genehmigt Ihr Chef so hopplahopp einen längeren Urlaub?«
Die Frau zuckt mit der Schulter. Degenwald erlöst sie von ihrer Qual. »Richten Sie Herrn Bramlitz einen recht schönen Gruß aus. Wir sprechen uns bald. Sehr bald. Darauf kann er wetten.« Dann geht er. Kaum hat er den Raum verlassen, dreht er um und öffnet erneut die Tür zum Personalbüro. Die Sekretärin hat den Hörer in der Hand, drauf und dran zu telefonieren.
»Ach ja, und das mit dem Alibi, das kriege ich trotzdem raus. Richten Sie das auch noch aus. Schönen Abend.« Die Tür schließt sich endgültig hinter ihm.
Zufrieden grinsend geht er den Gang entlang. Er hat noch eine lange Nacht vor sich. Vielleicht sollten Elsa und er sich ein anständiges Bier und eine Jausenplatte gönnen, sinniert er. Danach hätten sie neue Kräfte, um weitere fehlende Teile dieses seltsamen Mordpuzzles zusammenzusetzen.
Der silberfarbene Golf schießt den Hang hinauf und bleibt vor der Auffahrt zur Tiefgarage des Maihauser-Anwesens stehen. Elsa steigt aus und will anläuten. Als sie von fern Annas Stimme hört, späht sie über die Mauer und ruft dabei nach ihr.
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