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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Balken den Kopf zu stoßen. Im Kamin lagen ein paar geschwärzte Holzbrocken zwischen weißer Asche. Er setzte sich zuerst auf den einen Se ssel, dann probierte er den anderen aus. Jetzt war sein Gesicht der Tür zugewandt. Rechts von ihm stand das Sofa. Es war mit zerschlissener rosa Seide bezogen, die Kissen waren löchrig und ließen Federn. Die Sprungfederung war hinüber, und wenn man sich darauf setzte, sackte man fast bis zum Fußboden durch und hatte Mühe, wieder hochzukommen. Er erinnerte sich an dieses Sofa und starrte es lange Zeit an, ungefähr so, wie ein Soldat ein Schlachtfeld anstarrte, auf dem ein Krieg ein für allemal verloren worden war.
    Sie verlassen gemeinsam den Zug und schlagen den Weg nach Bletchley Park ein. Zu ihrer Linken liegt ein in die Kleingärten gewalzter Sportplatz. Zu ihrer Rechten können sie durch den Zaun hindurch die vertrauten Umrisse der niedrigen Gebäude sehen. Leute schreiten rasch aus, denn der Dezembernachmittag ist kalt und neblig, der Tag geht in die Dämmerung über.
    Sie erzählt ihm, daß sie in London war, um ihren Geburtstag zu feiern. Was meint er, wie alt sie ist?
    Er hat keine Ahnung. Achtzehn vielleicht?
    Zwanzig, sagt sie triumphierend, uralt. Und weshalb war er in London?
    Das kann er ihr natürlich nicht erzählen. Geschäftlich, sagt er. Rein geschäftlich.
    Entschuldigung, sagt sie, sie hätte ihn nicht danach fragen dürfen. Sie hat sich das »Wissenwollen« immer noch nicht abgewöhnen können. Sie ist jetzt seit drei Monaten in Bletchley, und sie kann es nicht ausstehen. Ihr Vater arbeitet im Außenministerium und hat ihr den Job besorgt, damit sie keine Zeit hat, Dummheiten zu machen. Wie lange ist er schon hier?
    Drei Jahre, sagt Jericho, sie soll sich keine Sorgen machen, im Laufe der Zeit wird es besser.
    Er hat gut reden, sagt sie, aber er tut doch bestimmt etwas Interessantes.
    Eigentlich nicht, sagt er, aber dann findet er, daß sich das langweilig anhört, deshalb setzt er hinzu: nun ja, halbwegs interessant, könnte man sagen.
    In Wirklichkeit fällt es ihm schwer, seinen Teil zu der Unterhaltung beizutragen. Allein neben ihr herzugehen ist schon verwirrend genug. Sie verfallen in Schweigen.
    Neben dem Haupttor ist eine Anschlagtafel, auf der eine Aufführung von Bachs Musikalischem Opfer durch die Bletchley Park Music Society angekündigt wird. Sehen Sie sich das an, sagt sie, ich liebe Bach, worauf Jericho mit echter Begeisterung erwidert, daß Bach sein Lieblingskomponist ist. Froh, endlich ein Gesprächsthema gefunden zu haben, ergeht er sich weitschweifig über die sechsteilige Fuge des Musikalischen Opfers, die Bach an Ort und Stelle für Friedrich den Großen improvisiert haben soll, eine Leistung, die dem gleichzeitigen Spielen und Gewinnen von sechzig Partien Schach mit verbundenen Augen entspricht. Vielleicht weiß sie, daß Bachs Widmung an den König - Regis Iussu Cantio Et Reliqua Canonica Arte Resoluta - das Akrostichon RICERCAR ergibt, was »suchen« bedeutet?
    Nein, das weiß sie seltsamerweise nicht.
    Dieser zunehmend verzweifelte Monolog bringt sie bis zu den Baracken, wo sie beide stehenbleiben und sich, nach einer weiteren verlegenen Pause, gegenseitig vorstellen. Sie streckt ihm ihre Hand entgegen. Ihr Griff ist warm und fest, aber ihre Nägel sind ein Schock: fürchterlich abgekaut, bis fast aufs Fleisch. Ihr Nachname ist Romilly. Claire Romilly. Es klingt gut. Claire Romilly. Er wünscht ihr fröhliche Weihnachten und wendet sich zum Gehen, aber sie ruft ihn zurück. Sie hofft, daß er sie nicht für aufdringlich hält, aber würde es ihm Spaß machen, mit ihr in das Konzert zu gehen?
    Er ist sich nicht sicher, er weiß es nicht…
    Sie schreibt das Datum und die Uhrzeit direkt über das Kreuzworträtsel in der Times - 27. Dezember um 8.15 Uhr - und drückt ihm die Zeitung in die Hand. Sie wird die Eintrittskarten besorgen. Sie werden sich dort treffen.
    Bitte sagen Sie nicht nein.
    Und bevor er sich eine Ausrede einfallen lassen kann, ist sie verschwunden.
    Er hat am Abend des 27. Dienst, aber er weiß nicht, wo er sie finden kann, um ihr zu sagen, daß er nicht kommen kann.
    Und außerdem, das wird ihm klar, möchte er gern hingehen.
    Also fordert er einen Gefallen ein, den Arthur de Brooke ihm schuldet, und wartet vor dem Versammlungsgebäude - und wartet und wartet - , und endlich, nachdem alle anderen bereits hineingegangen sind, und gerade, als er aufgeben will, kommt sie aus der Dunkelheit angerannt und

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