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Enigma

Enigma

Titel: Enigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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stichhaltige Beweise zu finden. Eine Person vielleicht. Noch besser, eine Person mit dokumentarischem Material. Meine Güte, von der Sorte laufen genug herum. Allein hier sind es Tausende, die entweder die ganze Geschichte kennen oder einen Teil davon oder genug, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Und was für Leute sind das?« Er zog ein Blatt Papier aus der Innentasche seines Jacketts und entfaltete es. »Das ist die Liste, um die ich gestern gebeten habe. Elf Personen in der Marine-Abteilung wissen, wie wichtig das Wettercodebuch ist. Bei genauerem Hinsehen geben einige dieser Namen einem zu denken. Skynner können wir vermutlich ausschließen. Und Logie - der scheint ein vernünftiger Mann zu sein. Aber Baxter? Baxter ist Kommunist, nicht wahr?«
    »Ich glaube, Sie werden feststellen, daß Kommunisten nicht viel für die Nazis übrig haben. In der Regel.«
    »Was ist mit Pukowski?«
    »Pukowski hat seinen Vater und seinen Bruder verloren, als Polen überfallen wurde. Er haßt die Deutschen.«
    »Dann der Amerikaner. Kramer. Er stammt von deutschen Immigranten ab, haben Sie das gewußt?«
    »Auch Kramer hat durch die Deutschen einen Bruder verloren. Also wirklich, Mister Wigram, das ist doch lächerlich…«
    »Atwood. Pinker, Kingcome. Proudfoot. De Brooke. Sie… Wer sind Sie eigentlich alle?«
    Wigram sah sich angewidert in dem winzigen Zimmer um: die ausgefransten Verdunkelungsvorhänge, der klapprige Kleiderschrank, das klumpige Bettzeug. Zum ersten Mal schien er den Stich von der Chapel zur Kenntnis zu nehmen. »Ich meine, nur weil ein Bursche im King´s College in Cambridge war…«
    Er nahm das Bild und hielt es schräg unter die Lampe. Jericho beobachtete ihn regungslos.
    »Dieser E. M. Forster«, sagte Wigram nachdenklich. »Der ist doch noch immer in King´s College, oder?«
    »Ich glaube, ja.«
    »Kennen Sie ihn?«
    »Nur flüchtig.«
    »Was war doch gleich mit diesem Essay von ihm? Worum ging es da? Doch wohl um die Entscheidung zwischen einem Freund und seinem Land?«
    »›Mir ist die Vorstellung von einer Sache zuwider, und wenn ich wählen müßte zwischen dem Verrat an meinem Land und dem Verrat an meinem Freund, dann hoffe ich, den Mumm zu haben, mein Land zu verraten.‹ Aber das hat er vor dem Krieg geschrieben.«
    Wigram blies den Staub vom Rahmen und stellte den Stich behutsam auf Jerichos Bücher zurück.
    »Das will ich doch sehr hoffen«, sagte er und trat zurück, um, ihn zu bewundern. Dann drehte er sich um und lächelte Jericho an. »Das will ich wirklich sehr hoffen.«
    Nachdem Wigram gegangen war, dauerte es einige Zeit, bis Jericho imstande war, sein Bett zu verlassen.
    Er hatte sich darauf ausgestreckt, immer noch in Schal und Mantel, und den Geräuschen des Hauses gelauscht. Irgendein Streichquartett, das die BBC für eine angemessene Unterhaltung am Sonntagabend hielt, fiedelte unten vor sich hin. Da waren Schritte auf dem Treppenabsatz. Darauf folgte eine geflüsterte Unterhaltung, die damit endete, daß eine Frau - Miss Jobey vermutlich - in Gekicher ausbrach. Eine Tür fiel ins Schloß. Der Wassertank über seinem Kopf leerte sich und lief wieder voll. Dann wieder Stille.
    Als er sich schließlich bewegte, nach ungefähr einer Viertelstunde, tat er es mit ungestümer und zittriger Hast. Er trug den Stuhl vom Bett zur Tür und kippte ihn gegen das dünne Türblatt. Er nahm den Stich und legte ihn umgekehrt auf den abgeschabten Teppich, zog die Heftzwecken heraus, nahm die Rückwand ab, rollte die Funksprüche zusammen und ging mit ihnen zum Kamin. Auf dem kleinen Kohleneimer neben der Feuerstelle lag eine Schachtel, die zwei Streichhölzer enthielt. Das erste war feucht und ging nicht an, aber das zweite zündete mit Mühe, und Jericho bewegte es leicht hin und her, um sicherzugehen, daß die gelbe Flamme das Holz ergriff und größer wurde. Dann hielt er das Streichholz unter die Funksprüche. Er behielt das Hölzchen in der Hand, während sie sich wellten und schwarz wurden, solange es irgend ging, bis der Schmerz ihn zwang, sie auf den Rost fallen zu lassen, wo sie zu winzigen Ascheflocken zerfielen.

V Hilfe
    Hilfe, auch Eselsbrücke genannt: jede Art von Material (in der Regel ein erbeutetes Codebuch oder ein Stück Klartext), das Hinweise zur Entschlüsselung eines Kryptogramms liefert.
     
    »… eine Eselsbrücke ist zweifellos das wichtigste Werkzeug des Kryptoanalytikers …«
    (Knox u. a., a.a. O., S. 27).
     
    Ein Lexikon der Kryptographie
    (»Streng geheim«,

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