Entbrannt
Zukunft lauerten. An dieser Logik gab es nichts zu rütteln.
Angst kroch wie eine glitschige Schlange an meinen Beinen hinauf und schlang sich um meine Brust. Wir konnten dieses Spiel nicht gewinnen. Lilith hatte uns in eine Ecke gedrängt, und jetzt würden wir den höchsten Preis dafür zahlen. Das Einzige, auf das wir hoffen konnten, war, dass die Akademie mit Truppen durchkommen, Lilith überwältigen und die Schrift zurückholen würde, wenn wir tot waren.
Lincoln legte seine Hände auf meine Schultern. »V i, alles wird gut werden.«
Meine Augen wurden schmal. »W as verschweigst du mir?«
Seine Gesichtszüge spannten sich an. »N ichts. Ich will dich nur schützen.«
Ich legte meine Hände um sein Gesicht. »I ch bin stark, Linc. Wenn deine Kraft mit mir verbunden ist, werde ich es aushalten. Wir werden diese Kinder retten.«
Er nickte entschlossen. »D u wirst aber wirklich alles von mir nehmen, was du brauchst, um jeden einzelnen dieser Pfeile zu überleben, hast du gehört?«
Wir wussten von mindestens sechzig Kindern. Es würde unmöglich sein, so viele Pfeile auszuhalten. Aber Lincoln flehte mich an und ich wusste, worum er mich eigentlich bat– dass ich mehr von ihm nahm, als er überleben konnte.
Tut er das für die Kinder? Oder für mich?
Ich wusste die Antwort nicht, aber ihm zuliebe nickte ich. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich ihn versprechen lassen, dass er, wenn er sich zwischen einem unschuldigen Leben und mir entscheiden müsste, das unschuldige Leben rettete. Ich würde das gleiche Versprechen halten müssen, auch wenn es eine Wahrheit in sich trug, über die ich nicht nachdenken wollte.
Er ergriff meine Hände. »W enn wir erst mal dort sind, fällt uns vielleicht ein anderer Plan ein. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.« Er schien so zuversichtlich, und wieder schrillten bei mir alle Alarmglocken. Seit er gestern Abend Phoenix in die Stadt gebracht hatte, hatte Lincoln nämlich nicht nur eine nervtötende Akzeptanz entwickelt, sondern auch ein gewisses Vertrauen in den Plan.
Er spürte meine Unruhe und zog mich an seine Brust. »I ch habe keine Angst vor dem Sterben. Nachdem ich dich in meinen Armen hatte und weiß, dass wir zusammen sind…« Er trat zurück, seine Hände ruhten auf meinen Schultern und wir blickten uns in die Augen. »I ch war dumm zu glauben, es gäbe einen anderen Weg für uns. Ich bereue nichts, nicht das kleinste bisschen.«
Das galt auch für mich. Im Moment hatte ich alles, und das hätte ich niemals für ein ewiges Leben, in dem ich mir Lincolns Liebe vorenthalte, eingetauscht. Wir waren Seelenverwandte im wahrsten Sinne, Herzensfreunde von größter Tiefe. Dass wir jetzt sterben mussten… Das war für unsere Liebe irrelevant. Lincoln hatte recht– wir waren ewig.
Als er das letzte Messer in meinem Stiefel versteckt hatte, spürte ich, dass Phoenix sich näherte.
»E r ist fast da«, sagte ich. »U nd er hat noch jemanden bei sich.«
Lincoln lächelte und schüttelte dabei ehrfürchtig den Kopf. »I ch kann es durch dich spüren, mit allen Sinnen, wie nie zuvor.« Er rümpfte die Nase. »M oschus mochte ich noch nie«, fügte er hinzu.
Ich verdrehte die Augen und sein Lächeln wurde breiter.
»W as ist los?«, fragte ich.
»I ch kann deine Gefühle für ihn wahrnehmen. Es ist auf vielen Ebenen so echt und intensiv– die Art und Weise, wie du ihn magst. Ich kann sogar sehen, wie tief er dich verletzt hat.«
Ich runzelte die Stirn. Das war kein normales Gespräch. »W arum lächelst du dann?« Ich war mir nicht sicher, ob ich anfangen sollte, mich zu verteidigen, oder nicht.
Lincoln ließ sich auf ein Knie fallen, um sein Messer unter seiner Jeans zu befestigen. Mit einem wissenden Grinsen blickte er zu mir auf. »W eil das, was du für ihn empfindest, nicht auch nur annähernd so stark ist wie das, was du für mich empfindest.«
Ich schnaubte, aber ich erwiderte sein Lächeln. »H a, ha. Kannst du jetzt bitte mal meinen Kopf verlassen?«
»I ch bin gar nicht in deinem Kopf.«
Ich schlug ihm gegen die Schulter, sodass er das Gleichgewicht verlor und nach hinten fiel. »M ännliche Egos«, brummte ich, als ich an der Stelle vorbeiging, wo er lachend auf dem Boden lag.
Ich ging aus der Hütte hinaus. Phoenix stand auf dem Rasen und sah resigniert aus. Sechs Verbannte standen weiter hinten, wo die Bäume anfingen, außerhalb der Blendung. Lincoln kam hinter mir heraus, und trotz unseres Schicksals, das mit raschen Schritten auf uns
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