Entbrannt
wollte ihn nicht wieder verärgern. »E s gibt keine Stühle mehr «, sagte ich.
Es sah mich an, als wäre ich bescheuert. »D as ist ein Traum. Erschaffe dir einen .«
Ich schüttelte den Kopf. »I ch bleibe stehen .«
Er zuckte mit den Schultern. »B ist du überzeugt von deiner Entscheidung ?«
»N a ja, ich weiß nicht, wie man einen Stuhl erschafft «, erwiderte ich.
Er wedelte mit der Hand nach mir. »G ib nicht auf! Ich meine nicht den Stuhl. Du sitzt in einem Käfig fest. Du bist der Hexe ausgeliefert. Deine Mutter ist gefangen. Deine Liebe eingesperrt .«
»W ir versuchen, die Kinder zu retten .«
»W o ist deine Armee ?«
Ich schüttelte den Kopf. »I ch habe keine Armee. Ich … Wir mussten allein kommen .«
Ein träges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »K omm schon, Kleines, sag mir, was wir beide wissen .«
Ich antwortete nicht.
Sein Lächeln wurde breiter. »I hr seid gar nicht allein gekommen. Ihr hattet den Dunklen dabei .«
Ich richtete mich trotz der Angst in meiner Magengrube auf. »J a, wir sind mit Phoenix gekommen. Er hilft uns .«
»I n der Tat. Dunkelheit kann vieles erreichen. Aber bist du bereit, den Weg zu beschreiten, auf den sie dich führen werden ?«
»W as meinst du damit ?«
Er stand auf. »D as Spielfeld wird bald geebnet werden. Ich hoffe wirklich, dass du Lilith überlebst. Vielleicht kannst du die Kraft sein, für die sie dich bereits halten .«
»W er? Welche Kraft? Wovon redest du ?«
Er sah mich hochnäsig an und ich wusste, dass er nichts weiter sagen würde, deshalb fragte ich weiter.
»K ann jemand anders Lilith über die Grenze zwischen den Reichen bringen? Falls ich … Falls ich es nicht schaffe ?«
Jetzt seufzte er gelangweilt. »S ie können sie in die Hölle zurückschicken. Vielleicht genügt das ja. Aber nur du kannst sie über die Grenze zwischen den Reichen bringen .«
»W arum ?«
Er zog eine Augenbraue weit nach oben. »W eil du der Keshet bist .«
Etwas Hartes stieß gegen meinen Kopf. Dann noch einmal. Ich schlug die Augen auf und rollte mich zu einer Kugel zusammen, als ein weiterer Schlag meinen Arm traf. »A u!«
»W ach auf!«, sagte eine winzige Stimme.
Etwas traf mich am Rücken. Ich sah nach unten und entdeckte kleine Steine– nein, Betonstücke.
»O kay, okay! Alles okay«, sagte ich, bevor mich ein weiteres Stück traf.
»W as ist mit dir passiert?«, fragte Simon keuchend.
Ich griff mir an den Kopf. Ich konnte Lincoln spüren. Er machte sich Sorgen um mich, als hätte er mich während meines Traumes nicht wahrnehmen können.
Alles in Ordnung.
Das dachte ich immer wieder, bis ich spürte, dass er sich beruhigt hatte. Dann wandte ich mich an Simon. »I ch bin wohl ohnmächtig geworden. Aber jetzt geht es mir gut.«
Er war immer noch besorgt, aber er nickte.
Als ich die nervösen Gesichter der vielen Kinder bemerkte, spürte ich einen Kloß im Hals. Dann fiel mir ein kleiner Junge auf. Er trug noch immer seinen blauweißen Schlafanzug und schmiegte sich an ein älteres Mädchen. Es war der kleine Junge, den Olivier entführt hatte. Er war noch am Leben.
Ich lächelte ihn an und grub die Fingernägel in meine Handflächen, um nicht in Tränen auszubrechen. Ich wusste nicht, wie lange es dauern würde, bis sie mich holten, aber ich beschloss zu versuchen, bis es soweit war meine ganze Aufmerksamkeit den Kindern zu schenken.
In den folgenden beiden Stunden hörte ich mir von jedem Einzelnen an, wie er von zu Hause entführt worden war, wie man ihre Angehörigen gefoltert, verbrannt, ermordet hatte. Jeder von ihnen hatte bereits den Verlust eines Elternteils erfahren, nun begriffen sie, was es bedeutete, auch den anderen zu verlieren. Sie hatten nichts und niemanden mehr, selbst wenn sie überleben sollten.
Ich wollte ihretwegen schreien. Ich wollte Lilith dafür in der Luft zerreißen. Phoenix ebenfalls. Sogar mich selbst. Wir alle hatten eine Rolle gespielt. Aber ich hielt meine Emotionen zurück und widmete meine Aufmerksamkeit den Kindern.
»E s gibt einen Ort, an den ihr alle gehen könnt«, sagte ich zu ihnen. »D ort gibt es Leute, die sich um euch kümmern und euch beschützen werden. Ihr werdet Teil ihrer Familie. Es wird nicht dasselbe sein wie eure echten Familien, aber es wird gut sein. Und wenn ihr größer werdet, könnt ihr wählen. Wenn ihr wollt, könnt ihr sehr stark und sehr mächtig werden.«
»W ie du?«, wollte Tom, einer der kleineren Jungen, wissen. Sein Gesicht war von Sommersprossen
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